Salamander–“Lurchi“ unterm roten Stern

■ 14 Joint–Venture–Verträge hat die Sowjetunion mit westlichen Firmen bisher abgeschlossen / „Perestroika und Business“: Devisen und Technologien gegen einen „riesigen, ungesättigten“ Binnenmarkt /Lurchi–Chef Haasis: „Wir wollen herrschen“ / Offene Fragen über Arbeitsbedingungen und kommunikationsmöglichkeitenittel

Von Thomas Moser

Wirtschaftswissenschaftler Prof. Gutmann schien fehl am Platze: „Die Zielsetzungen der beiden Partner eines Joint Venture laufen einander so zuwider, daß ich für sie keine große Zukunft sehe.“ Außerdem sei das alles ja schon mal dagewesen mit den Gemeinschaftsunternehmen von Partnern aus dem westlichen Ausland und dem Lande selbst. In China, in Jugoslawien, also gar nicht so neu. Am Abend, als Gorbatschow und Reagan den INF–Vertrag unterzeichneten, ging es in der Universität Köln um Joint Ventures mit der UdSSR. „Perestroika und Business“ - bundesdeutsche Unternehmer und sowjetische Wirtschaftsvertreter trafen sich zur Diskussion. Diese widerstreitenden Interessen, das sind für die Sowjetunion Devisen und Technologien aus dem Westen und für die westlichen Unternehmer der „riesige, ungesättigte“ Binnenmarkt der Sowjetunion. Der Ostausschuß der deutschen Wirtschaft koordiniert diese Marktinteressen und stimmt sie mit der Regierungspolitik ab. Auch Ausschußvertreter Aretz versuchte, etwas zu brem sen. Joint Ventures seien die höchste Form der Zusammenarbeit und auch in der „Gesamt–Perestroika“ eher ein Randthema, man solle es doch erst mit einfacheren Formen der Kooperation versuchen. Am Ende wurde deutlich, warum: Noch sind die Bedingungen den Unternehmern nicht immer günstig genug. Die Arbeitsbedingungen, Reisemöglichkeiten - auch kurzfristige - oder Kommunikationsmöglichkeiten.Dabei ist die sowjetische Regierung den westlichen Unternehmern in den letzten Monaten mehrfach entgegengekommen, um Joint Ventures attraktiver zu machen. Diesen Willen dokumentierte auch die sowjetische Beteiligung an diesem Abend. Vier Vertreter der sowjetischen Handelsmission inclusive ihrem Leiter Fomitschew waren erschienen, aus Moskau war vom Institut für Wirtschft Vertreter Sokolnikow angereist. Neu ist: Die Gemeinschaftsunternehmen werden zwei Jahre lang von Gewinnsteuern befreit. Ursprünglich sollten Gewinne mit 30 Prozent versteuert werden. Inlandsgeschäfte können jetzt sofort mit harten Devisen getätigt werden. Ursprünglich sollten diese Devisen erst auf westlichen Märkten verdient werden. Auch direkten Beziehungen zu anderen Betrieben in der SU steht jetzt nichts mehr im Wege. Früher sollten sie nur über die staatliche Ebene möglich sein. Zusätzlich kann jetzt jeder Ministerrat einer SU–Republik ein Joint Venture genehmigen und nicht mehr nur der Minsiterrat der Sowjetunion allein. Begonnen wurde inzwischen auch mit den Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen, das den Unternehmern besonders am Herzen liegt. Auch das Bildungswesen der Sowjetunion wird eingespannt. Wie Sokolnikow betonte, wird die Ausbildung von Fachkräften für die sowjetische Außenwirtschaft an Hoch– und Fachschulen forciert. Man will auch ausländische Fachkräfte, die sich mit der sowjetischen Außenwirtschaft beschäftigen, heranziehen. In diesem Zusammenhang ist die vor kurzem gegründete Management–Hochschule in Moskau zu sehen. An ihr werden ausschließlich ausländische zukünftige Manager ausgebildet. Das Lehrpersonal stellt die Sowjetunion. Ratgeber bei diesem Projekt war im übrigen die Kölner Universitätsfakultät für Wirtschafts– und Sozialwissenschaften. Zur Zeit gibt es mehr als 30 Vorschläge für Joint Ventures. 14 Joint Ventures mit westlichen Firmen wurden bisher vertraglich geschlossen, fünf mit BRD–Firmen, die allgemein, so die Handelsmission, großes Interesse zeigten. Ende September hat die Salamander AG einen Joint Venture– Vertrag unterschrieben. Der Schuhkonzern aus Kornwestheim ging mit dem Leningrader Betrieb „Proletarischer Sieg“ eine Verbindung ein. „Lenwest“ ist der neue Name des Gemeinschaftsunternehmens. Das sei aus Leningrad und Kornwestheim zusammengesetzt. Gemeinsames Warenzeichen bleibt der westliche „Lurchi“, Symbol des Schuhunternehmens. Dr. Haasis vom Konzernvorstand machte klar, worum es Salamander geht: „Die Beziehungen müssen profitbringend sein, wir wollen die Produkte in der Sowjetunion direkt vermarkten, filialisieren, wir wollen herrschen.“ Wie geht das bei einem maximalen Anteil von 49 Prozent, und wenn sowohl Vorstandsvorsitzender als auch Generaldirektor Sowjetbür ger sein müssen? Haasis ist Optimist. Salamander stellt bei Lenwest mit dem Technischen Leiter die Person, die für die Produktion zuständig ist. „Trotz Kapitalminderheit werden wir nie in eine Minderheitsposition kommen.“ Von 8 Millionen Paar Schuhen im Jahr produziert und verkauft der Konzern bereits heute schon 2 Millionen in der Sowjetunion. Auch die Burda GmbH steht in Verhandlungen mit der Sowjetunion. Die Teilnahme an der öffentlichen Diskussion hat die Firma mit der Begründung kurzfristig abgesagt, die Gespräche seien in einer sensiblen Phase. Eine Art flankierende Maßnahme für Joint Ventures ist die Kooperation zwischen der Commerzbank AG und der Staatsbank– und Außenhandelsbank der SU. Dabei geht es, so Direktor Kissner, um die Analyse der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Joint Ventures–Partner sowie um die Absicherung der Kredit– und Davisenrisiken. Joint Ventures zwischen Banken gibt es (noch) nicht. Fragen bleiben offen. Für Unternehmer und ihren Nachwuchs sind es solche nach Personalautonomie, nach der Bewertung eingebrachter Technologien und der haftung bei einem möglichen Konkurs Fomitschew: „Das Joint Venture wird dann aufgelöst, nicht mehr“). Eine Unbekannte sind die SU–Zuliefererfirmen. Jemand zitierte Istwestija, bis zu 80 Prozent hätten sie ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, ob Joint Ventures da nicht zum Scheitern verurteilt seien? Fomitschew wieder trocken: „Joint Ventures werden bevorzugt behandelt!“ Ob das dann nicht wieder auf Kosten der Wirtschaft in anderen Bereichen der Sowjetunion gehe? ... Auch Fragen nach den Arbeitsbedingungen der Arbeiter und Arbeiterinnen interessieren weniger. Wie sind die Arbeitszeiten? Wie hoch sind die Löhne? Wie werden sie ausgehandelt? Für Salamander sind diese Punkte noch nicht fixiert. Sicher scheint, die Löhne sollen sich an westlichen Verhältnissen ausrichten. Gemeint sind damit Leistungsorientierung, Akkordsystem und ähnliches. Möglicherweise nimmt das Joint Venture dem Konzern eine Sorge ab. In seinem Referat hatte Haasis noch das Problem der Streiks bemüht, um die Schwierigkeiten zwischen West und Ost zu verdeutlichen. „Bei uns wird Streik ja als höhere Gewalt gewertet, in der Sowjetunion gibt es so etwas nicht.“