Barschel for President

■ Zur Bespitzelung von Björn Engholm

Unsere Demokratie ist ein US–Import. Und was in Washington Praxis ist, ist auch in Schleswig–Hostein einen Versuch wert. Doch wenn man in der kleinen Welt die große Macht spielt, gerät das leicht zur unfreiwilligen Parodie. Mit der Spekulation auf moralischer Verdammnis des Gegners liegt man zwar immer richtig. Und Finanzbeamte als Spitzel und echte Detektive für den sicheren Blick durch die Schlafzimmergardinen - das ist schon sehr gut. Aber wie klein Barschel sich die Welt vorstellt, so dreht sie sich nicht. Wäre Björn Engholm wirklich homosexuell und pflegte zugleich ein ausschweifendes Liebesleben mit dem weiblichen Geschlecht, müßte er schon allein deshalb eine sichere absolute Mehrheit hinter sich haben. Und wie kann, wer die Stoltenbergsche Steuerreform predigt, noch eine Steuerhinterziehung denunzieren wollen? Nun ist aus der letzten Hoffnung auf einen Fall Gary Hart in Schleswig–Holstein ein Fall Nixon geworden. Ein noch amtierender Ministerpräsident, der da nicht zürnt und auch die Strafanzeige wegen Verleumdung erst noch einmal überschlafen muß, ist schon halb überführt. Doch auf all das werden die Wähler nicht so kurzfristig reagieren. Höchste Verwirrung beflügelt konservatives Denken. So bleibt am Sonntag noch Hoffnung auf einen neuen Ministerpräsidenten Barschel. Gerade jetzt brauchen wir ihn, um zu einer richtig amerikanischen Demokratie zu werden. Denn nur so könnte er am Montag auch zurücktreten. Kuno Kruse