„Aussichtstürme und Oasen“

■ „Anstifterinnen“ diskutierten in Hamburg die Ziele und Strukturen einer möglichen Frauenstiftung der Grünen

„Können wir uns bitte nochmal konzentrieren? Wir sind jetzt bei den Grenzüberschreitungen.“ Die Diskussion der trockenen Notwendigkeiten und schillernden Utopien rund um die Idee einer grünennahen Frauenstiftung, unter rund 50 Frauen aus autonmen Frauenprojekten und der Grünen Partei am Wochenende in Hamburg geführt, gestaltete sich nicht ganz einfach. Frauen des feministischen Bildungszentrums mit dem trefflich zur Debatte passenden Namen „Denk–t–räume“, die sich schon seit einigen Monaten für „die politische Provokation einer reinen Farunstiftung“ statt der von grüner Prominenz anvisierten „Heinrich–Böll–Stiftung“ stark machen, hatten gleichgesinnte „Anstifterinnen“ dazu eingeladen: Wo sind die Räume, was sind die Träume? Der politische Spielraum für die „Anstifterinnen“, zu denen auch bekannte grüne Frauen wie Regina Michalik gehören, ist nämlich schon zeitlich sehr begrenzt: Die nächste Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen am 19. und 20. September soll über das Ob und Wie einer parteinahen Stiftung entscheiden, die in einigen Jahren, wenns denn klappt, bis zu 60 Millionen Mark Staatsknete zur Verfügung hätte. Ergo ging es auf dem Hamburger Treffen vorrangig um die Ausarbeitung eines Antrags, der die Partei tagsdelegierten von der „Totalquotierung“ in der Stiftung überzeugen soll. Denn die „Anstifterinnen“ glauben, damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Zum einen zeigen sie sich - ob zu Unrecht oder zu Recht - davon überzeugt, daß sich eine feministische Analyse der Weltgeschichte quasi automatisch mit einem ökologischen, technik–kritischen, friedenspolitischen und anti–imperialistischen Ansatz verschränkt. „Die historisch gewachsenen ungleichen Welthandelsstrukturen basieren in der „Dritten Welt“ auf der Ausbeutung der Naturressourcen und der menschlichen Arbeitskraft, ins besondere des weiblichen Arbeits– und Reproduktionsvermögens“, formuliert zum Beispiel eine „Dritte–Welt–Frauengruppe“ im grünen Stiftungsreader „Noch mehr Himmel auf Erden?“ Zum zweiten glauben die „Anstifterinnen“, daß sich in einer Frauenstiftung die Interessen der grünen und der autonomen Frauen treffen: Die Grünen könnten „Flagge zeigen“, und die Frauenbewegung könnte neue Signale setzen gegen „eine drohende Nischenkultur der Feministinnen“ und gegen ihren „wesentlichen Mangel“, das „Festkleben an Selbsterfahrung“, wie im Reader angemerkt wird. Allerdings streitet frau sich noch, ob mit den Stiftungsgeldern denn vorrangig bestehene Frauenprojekte abgesichert oder neue Ideen wie „feministische Lehrstühle“ oder gar „eine Tageszeitung aus Frauensicht“ finanziert werden sollen. Und zum dritten meinen die „Anstifterinnen“, einen „dritten Weg“ für die umstrittene Struktur einer solchen Stiftung gefunden zu haben: Weder zentral noch dezentral soll sie sich organisieren, sondern an „Vernetzungszentren“ orientieren. Zu solchen „Vernetzungszentren“ sollen sich ihrer Vorstellung nach jeweils mehrere Fauenprojekte zusammenschließen, die entweder aus der gleichen Region stammen oder zum gleichen Thema arbeiten. Der Stiftungsrat, der die Gelder vergibt, soll sich dann aus grünen Frauen und Delegierten dieser „Vernetzungszentren“ zusammensetzen, die ihrer Basis gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Als oberstes Organ ist in dem Antrag der „Anstifterinnen“ an den grünen Parteitag eine Vollversammlung der „Mitgliederinnen“ vorgesehen (für das Wortungetüm kann die Berichterstatterin nichts). Mitglied der Stiftung sollen alle Frauen werden können, die sich ihren Zielen verpflichtet fühlen. Diese Ziele, darauf einigte sich das Frauentreffen nach langem Formulierungsstreit, sind eine „nicht in eine erst, zweite und dritte gespaltene Welt“, die frei von jeder Form von Gewalt und Hierarchie allen Menschen ein autonomes und selbstbestimmtes Leben ermöglicht“. Weil aber bei der Annäherung an Utopien „Ziel und Weg, Zweck und Mittel untrennbar miteinander verwoben“ seien, müsse die Stiftung von sich selbst verlangen, „die geschlechshierarchische Arbeitsteilung“ zu beseitigen und nach dem Vorbild feministischer Bildungsarbeit „Trennungen und Spaltungen“ abzubauen. Z.B. zwischen „Kopf und Bauch, Theorie und Praxis, Lehrenden und Lernenden.“ Wichtig ist den Frauen auch, daß die Stiftung sich bemüht, „immer mehr Menschen anzustecken. Sie darf keine Insel sein, auf der mensch nicht landen kann, kein unbesteigbarer Elfenbeinturm, sondern sie muß begehbare Aussichtstürme, Höhenflüge, erreichbare und auffindbare Oasen schaffen“. Ob den grünen Delegierten dieses utopische Gemälde gefallen wird? Aus Hamburg Ute Scheub