„Chilenen kein Sicherheitsrisiko“

■ Hamburger Verfassungsschützer Lochte bescheinigt den 14 Todeskandidaten Unbedenklichkeit

Von Kuno Kruse

Berlin (taz) - Die Organisation der revolutionären Linken „MIR“, der die 14 chilenischen Todeskandidaten zugeordnet werden, stellt nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes „kein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik dar“. Das erklärte der Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz Christian Lochte gegenüber der taz. Die Chilenen führten ihren aktiven Widerstand nur gegen die Diktatur in ihrem Heimatland. „Chile“, so der Verfassungsschützer, „ist zweifellos ein Unrechtsstaat, und das Recht auf Widerstand im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland halte ich für gegeben.“ Chilenen tauchten nicht einmal mehr im Bericht des Landesamtes Hamburg und anderer Verfassungsschutzbehörden auf. Fortsetzung auf Seite 2 Interview auf Seite 5 In dem im Hause Zimmermamm redigierten Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, von der Redaktion nachgeschlagen, finden sich unter den Stichworten „MIR“ und „Kommunistische Partei Chiles“ die Vermerke „Keine besonderen Vorkommnisse“. Auch der CDU–Bundestagsabgeordnete Karl Lammers, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, hofft, daß die Todeskandidaten doch noch Asyl in der Bundes republik finden werden. „Sobald das Gerichtsverfahren eine solche Ausreise als Rettung vor dem Tod zuläßt, müssen wir diese Menschen bei uns aufnehmen“, forderte der Politiker in einem Interview mit der Kölner Zeitung Express dazu auf, sich nicht nur zu empören, sondern auch zu handeln. Das gelte auch für den politischen Druck auf Diktatoren wie Pinochet, „damit sie endlich der Demokratie Platz machen“. Wenn es um Menschenrechte gehe, gebe es keinen Unterschied, „ob linke oder rechte Politiker und deren Anhänger gefoltert werden“. In einem Telegramm an Bundesaußenminister Genscher be dankten sich inzwischen die Familien der in Chile zum Tode Verurteilten für die „menschliche Haltung“, mit der er sich innerhalb der Bundesregierung für die Aufnahme ihrer Angehörigen eingesetzt habe. Das Auswärtige Amt hat unterdessen die Botschaft der Bundesrepublik in Santiago angewiesen, sich um weitere Informationen über die Hintergründe des Prozesses und die Situation der Gefangenen zu bemühen. Wann das Schicksal der Todeskandidaten erneut zum Thema des Bundeskabinetts werden könnte, ist in Bonn zur Zeit noch nicht absehbar. Innen– wie Außenministerium, so politische Beobachter, seien daran interessiert, den Fall eine Weile in der Schwebe zu halten, da beide Seiten auf ihr Klientel Rücksicht zu nehmen hätten. Inzwischen riefen die Chile–Komitees dazu auf, Briefe an die Landesregierungen, Kreisreferenten und Bürgermeister der Gemeinden zu schreiben, damit sie sich gegenüber dem Bundesinnenminister für ein Asyl der Chilenen in ihrer Stadt einsetzen. „Es gibt in der Bundesrepublik keine Mehrheit für eine Diktatur in Chile“, setzt Frauke Postel von der Berliner Alternativen Liste ihre Hoffnung darauf, daß die „Minderheitsposition“ der CSU sich letztlich nicht auf Kosten der chilenischen Folteropfer durchsetzen könne.