Hamburg wartet auf 14 Todeskandidaten

■ Können die von der Todesstrafe bedrohten Chilenen doch noch einreisen? / Der Senat der Hansestadt hat noch keine förmliche Absage der Bundesregierung

Aus Hamburg Ute Scheub

Der Hamburger Senat will sich auch weiterhin für die Ausreise von vierzehn Mitgliedern der chilenischen Bewegung der Revolutionären Linken (MIR) einsetzen. Die vierzehn zum Tode Verurteilten sitzen in verschiedenen chilenischen Kerkern ein. Der mit der Sache befaßte Protokollchef des Bürgermeisters Dohnanyi, Walter Jürgen Schmidt, verwies im Gespräch mit dieser Zeitung auf die Erklärung der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile, die die chilenische Regierung im Dezember letzten Jahres offiziell von der Absicht Hamburgs und Hessens unterrichtet hatte, die von der Hinrichtung Bedrohten aufzunehmen. Von daher sieht Schmidt auch trotz der lautstarken Äußerungen von Bundesinnenminister Zimmermann vom Montag, die Chilenen hätten einen „ganz gravierenden kriminellen Charakter“ und sollten wegen „Sicherheitsbedenken“ nicht einreisen dürfen, noch keine förmliche Absage der Bundesregierung gegeben. Auch die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, Brigitte Erler, erklärte gegenüber der taz, das Bundesinnenministerium habe ausdrücklich versichert, daß die Entscheidung Zimmermanns gegen die Aufnahme der Chilenen nicht definitiv sei. Das Ministerium prüfe vielmehr im Augenblick noch die aus Chile verfügbaren Fakten. Fortsetzung auf Seite 2 Die 14 sind allesamt wegen „terroristischer Gewalttaten“ verurteilt worden. Die den Gerichten vorliegenden „Geständnisse“ sind aber durchweg unter Folter zustandegekommen. Die Urteile sind größtenteils noch nicht rechtskräftig. Weil ein in letzter Instanz bestätigtes Todesurteil in eine Ausweisung verändert werden kann, wenn ein anderer Staat zur Aufnahme der Betroffenen bereit ist, haben die 14 Gefangenen ihre Ausreise in die BRD beantragt. Nach einem zwischen Chile und der Bundesrepublik geschlossenen Abkommen müssen sie jedoch zuvor eine „Sicherheitsüberprüfung“ über sich ergehen lassen. Diese beim Bundesinnenminister angesiedelte Überprüfung ist nach Auskunft des Hamburger Senatsbeauftragten Schmidt bislang je doch nur im Falle von Carlos Garcia Herrera definitiv negativ beschieden worden, den Hamburg zusammen mit drei anderen MIR– Mitgliedern aufnehmen will. Aber auch in seinem Fall wollen die Hamburger der Bundesregierung neue Argumente vorlegen, sobald das erwartete, von einer Menschenrechtsorganisation in Chile gesammelte Material vorliegt. Schmidt ist guter Hoffnung, daß alle 14 bei erfolgter Ankunft „sehr schnell in der Bundesrepublik untergebracht werden können“, da seinen Informationen nach auch Hessen weiterhin aufnahmebereit sei. Dennoch hat der Chile–engagierte SPD–Bundestagsabgeordnete Freimut Duve vorsorglich noch einmal an alle SPD–regierten Bundesländer appelliert, ihre Bereitschaft zur Aufnahme aller 14 Chilenen zu signalisieren. „Wir können hier nicht über die Vorwürfe des chilenischen Staates ge genüber diesen Leuten diskutieren“, so Duve zur taz, „denn wir sind gegen die Todesstrafe und dürfen Chile nicht als Rechtsstaat akzeptieren.“ Dem Bundesinnenminister warf Freimut Duve vor, die chilenischen Menschrechtsorganisationen „in einem leichtsinnigen und leichtfertigen Akt“ gefährdet zu haben. Zimmermann hatte am Montag erklärt, auch Nachforschungen bei der chilenischen Menschrechtskommission und der Kirche hätten keine entlastenden Gesichtspunkte bei den 14 Ausreisewilligen erbracht. Wenn nun der Innenminister Organisationen wie die katholische „Vicaria“ oder die Menschenrechtsorganisation „Comision de los derechos humanos“ auffordere, „sich in Fällen zu äußern, wo Gewalt im Spiel ist“, so Duve weiter, dann setze er ihre Existenz aufs Spiel. Ihr Schweigen habe in solchen Fällen seine Berechtigung.