Studentenprotest mit langem Atem

■ Die niedersächsischen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich scheinen nicht durchsetzbar / Von J. Voges

Es ist der Protesttag der Sportstudenten. Für die 300 Läufer, die als antike Olympiakämpfer verkleidet oder einfach im Trainingsanzug in die erhobenen Hände klatschend im Trimm–Trab am Hauptportal des Landtages vorbeiliefen, hat die Polizei extra die Absperrung der Bannmeile geöffnet. Gleichfalls „Hopp,Hopp,Hopp - Sparbeschlüsse Stop“ rufend, darf anschließend auch noch der Pulk der 1000 Kommilitonen vor dem Leineschloß entlangziehen, der die Marathon–Läufer mit Petitionen und Protestresolutionen von vier niedersächsischen Hochschulen die letzten Kilometer bis zum Landtag mit Pfeifen und Jubeln begleitet haben. Um zu beweisen, daß dem Studentenprotest in Niedersachsen „die Puste nicht ausgeht“ waren die ersten Läufer am Donnerstagfrüh in Göttingen um 5.30 Uhr, in Clausthal–Zellerfeld im Harz eine Stunde später gestartet. Fünfzehn Kilometer vor der Landeshauptstadt hatten sich ihnen Sportstudenten aus Hannover und Osnabrück angeschlossen. „Natürlich haben wir uns abgewechselt“, erläutert ein Göttinger, der ein geschlungenens Laken trägt und dazu zwei Hermesflügel am Kopf mit der Aufschrift: „Göttinger gegen Sparmaßnahmen“. Kurz vor dem Landtag in Hannover haben die Sportler dann noch erfolgreich mit den Ordnungskräften verhandelt. Erst als die Polizei sich beim Landtagsprä sidenten für die Protestierenden verwendet, dürfen sie unten vor der Treppe vorbeiziehen, während oben vier Delegierte den Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP die Kartons mit den 13.000 Protestschreiben überreichen. „Nehmen sie das sehr ernst, Herr Stock“, sagt der Läufer aus Göttingen zu dem lächelnden CDU–Fraktionsvorsitzenden, der die Woche zuvor im Landtag streikende Studenten noch als „System–Schmarotzer“ tituliert hatte. „Diese Petitionen sind nur ein erster Schritt. Der Protest an den Hochschulen des Landes wird weitergehen“, sagt der Student und fordert den CDU–Politiker noch auf, mit seinen Äußerungen über die Studenten nicht an die niedrigen Instinkte in der Bevölkerung zu appellieren. Der CDU–Fraktionsvorsitzende hat den Studenten am Donnerstagnachmittag auf der Landtagstreppe erklärt, daß die Gebührenfreiheit an den Hochschulen im Prizip erhalten bleibe, die 500 DM pro Semester sollten nur die Zahlen, die wirklich überlang studieren. Als Stock dann noch zugab, daß das Strafgeld mit den Einsparungen gar nichts zu tun hat und wörtlich sagte „Es geht gar nicht darum, daß wir durch die Gebühren Geld in die Landeskasse bekommen“, da hatte er es mit den Delegierten der vier Hochschulen völlig verscherzt. Dabei war der CDU–Fraktionsvorsitzende als erster bereit, Delgierte der Studenten zu empfangen, wie Sportler in Hannover berichten. Warum bei den Sportlern in Hannover seit 14 Tagen keine Lehrveranstaltung mehr stattfindet und ihrem Institut ein Riesentransparent hängt „Hannover 96 steigt auf - die Bildung steigt ab“, kann man im Streikbüro dort in vier Sätzen erfahren: 25 vor den Sparbeschlüssen bereits gestrichen worden, Geld für neue Sportgeräte gibt es nicht und das Studium führt in die Arbeitslosigkeit. Um neben dem Angebot für das Lehramtsstudium noch Veranstaltung im Bereich Breiten– oder Freizeitsport anzubieten fehlen die Mittel. So wie am Donnerstag die Sportler sind die Woche zuvor die Kunststudenten mit ihren Protestfiguren und Naturwissenschaftler in weißen Kitteln zum Landtag gezogen. Gestern bemalten Architekturstudenten am hannoverschen Maschsee ein 500 Quadratmeter großes Transparent und die Hochschule für Musik und Theater protestiert immer noch mit Chor und Pantomime während den Aufführungspausen in der Oper. Der Protest geht von den einzelnen Fachbereichen aus. Für den Göttinger Streikrat ist das Gesprächsangebot von Albrecht an den AStA denn auch an die falsche Adresse gegangen. Der AStA, so verkündete die Selbstverwaltung der Streikenden, taucht doch in dieser Protestbewegung gar nicht mehr auf.