Vom Frieden wollen sie nichts wissen

■ Deutsch–deutsche Städtepartnerschaften sind im Kommen, Initiativen von unten aber sind in Ost und West nicht erwünscht

Köln (taz) - Endlich kam der lang erwartete Brief von der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn. Der gegenwärtige Stand der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR gestatte es nicht, hieß es darin, „in breitem Rahmen Städtepartnerschaften und kommunale Kontakte herzustellen und zu pflegen“. Diese knappe Auskunft war für den Bürgermeister der saarländischen Gemeinde Eppelborn, Fritz Hermann Lutz, bestimmt. Denn, so die Diplomaten aus Ost–Berlin, die Aufnahme der Partnerschaften „sei nur als Ausnahmeregelung zu verstehen“. Dabei hatte die 19.000–Gemeinde Eppelborn mit großer Mehrheit die Kontaktaufnahme mit einer Gemeinde in der DDR beschlossen und Ende November hierfür den Antrag gestellt. Man fühlte sich bei dieser Initiative in guter Gesellschaft. Denn schon über 300 Gemeinden wollen eine Partnerstadt in der DDR. Bis zum April 1986, als die Aufsehen erregende Partnerschaft zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt vereinbart wurde, bestanden in der Bundesrepublik zwar schon 1.900 Partnerschaften zu Gemeinden in Westeuropa, doch zu Städten in Osteuropa oder gar der DDR gab es keine solchen Bande. Doch dann begann das Eis zu brechen. Denn schon zu der Zeit, als noch die Eisenhüttenstädter Delegation in Saarlouis weilte, beschloß auch der Neunkirchener Stadtrat, eine Partnerschaft mit ei ner DDR–Stadt einzugehen. Zwar hieß es da noch, Saarlouis und Neunkirchen seien Einzelfälle, weil der DDR–Staatsratsvorsitzende Honecker sich mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Lafontaine bei dessen Besuch in Ost–Berlin gut verstand und auch selbst aus dem Saarland komme, doch kursierte auch die Information, daß die DDR–Staatsführung auch anderen Partnerschaften nicht abgeneigt sei. Als im September Bürgermeister Franzka aus Lübben in der DDR Neunkirchen besuchte, war die Zahl der Partnerschaften um drei weitere gestiegen. Und zur Zeit befinden sich nach Saarlouis/Eisenhüttenstadt und Neunkirchen/Lübben mindestens fünf Partnerschaften in konkretem Planungsstadium: Wuppertal/Schwerin, Erlangen/ Jena, Trier/Weimar, Saarbrücken/Cottbus und Ludwigshafen/ Meißen. Insbesondere die SPD–Städte sind sehr rührig in Sachen Partnerschaft. Die direkten Kontakte zwischen Lafontaine zu Honecker oder auch dem bayerischen SPD– Spitzenkandidaten bei der letzten Landtagswahl, Hiersemann, zu den SED–Spitzen haben sicherlich in dem einen oder anderen Fall positive Wirkung erzielt. Sind die Städtepartnerschaften also eine neue Variante der sozialdemokratischen Ostpolitik? Hat die konservative Unlust in den Kommunen für diese Idee damit zu tun? Oder gibt es für diesen Aufschwung der deutsch–deutschen Kontakte noch einen anderen Grund? Tatsache ist nämlich, daß die Stationierung amerikanischer und sowjetischer Atomraketen in Deutschland der Partnerschaftsbewegung von unten Auftrieb gegeben hatte. In vielen Städten und Gemeinden konnten Grüne in den Gemeinderäten und Regionalparlamenten Sitz und Stimme erlangen, die von ihnen eingebrachten Anträge auf Partnerschaften mit Städten der anderen Seite blieb nicht ohne Wirkung. Denn die Argumentation, nur das „Aufeinanderzugehen der Menschen in Ost und West über die Grenzen und Blöcke hinweg“ könne die „von Feindbildern geprägte Konfrontation der Blöcke überwinden“, hat durchaus Überzeugungskraft. Doch da beginnt auch das Problem. Wenn Erich Honecker in einem Interview davon spricht, daß man an die Städtepartnerschaften nicht „gleich eine ganze Kampagne dranhängt“ und gleichzeitig in den einzelnen Verhandlungsunterlagen zwischen den Städten zwar viel von der Begegnung der Bürger die Rede ist, in den konkreten Maßnahmen alles auf einen Austausch der Funktionäre hinausläuft, 1986 berichtete der Dortmunder Stadtrat Hans Hücking von einer großen Koalition von SPD und CDU mit dem Ziel, bestimmte Themen und Gruppen im Rahmen der Städtepartnerschaften auszugrenzen. Denn die Grünen wollen auch unabhängige Friedensgruppen in der DDR treffen. Immerhin war der Sprecher der Grünen Döhler der einzige, der beim Besuch des Lübbener Bürgermeisters in Neunkirchen auf die DDR–Friedensbewegung als einer Basisinitiative drüben hinwies. So ist es nicht verwunderlich, daß auch der Gesamtdeutsche Minister Windelen sich vor die kommunalen Spitzenverbände stellte und alle möglichen Einwände gegen deutsch–deutsche Städtepartnerschaften konstruiert hat. Es sollten keine Anleihen bei der großen Politik gemacht werden, sagte der Minister und meinte damit Themen wie Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung. Eine breite Öffentlichkeit und Erfahrungsaustausch könnten da nur stören und das „praktische Funktionieren der Partnerschaften“ gefährden. In noch größerem Maße gilt das Abblocken der Verständigung von unten für die DDR. Offiziellerseits gibt es nämlich gar keine unabhängigen Initiativen im Arbeiter– und Bauernstaat. Doch in Wirklichkeit sammelten bereits im Raketenherbst 1983 eine Dresdener Kirchengemeinde Unterschriften für eine Partnerschaft mit Stuttgart. In Eppelborn läßt man sich nicht entmutigen. 1987 will man einen neuen Anlauf machen. Thomas Moser/er