Asyl für Chilenen ein Sicherheitsrisiko?

■ Die Bundesregierung hat das Asylangebot aus Hessen für 14 Chilenen noch nicht abgesegnet / Landesregierung will auf eine Sicherheitsüberprüfung verzichten

Von Michael Rediske

„Nachdem es sich hier um terroristische Mörder von höchster Perversion und Gefährlichkeit handelt, die es nicht wert sind, unter zivilisierten Menschen zu leben, muß die Todesstrafe verhängt werden.“ So lautet die Anklageschrift des chilenischen Militärstaatsanwalts gegen Fermin Montes, 39 Jahre alt und von Beruf Sozialarbeiter. Die „Perversion“, für die Pinochets Militärs ihn erschießen lassen wollen: Er soll dabeigewesen sein, als ein Attentat auf das von Pinochet persönlich gestiftete Monument gegenüber seinem Regierungspalast (“die Freiheitsflamme“) verübt wurde. Fermin Montes bestreitet das, nach sechs Jahren Untersuchungshaft, Folter und Geheimprozeß. Er bekennt sich allerdings zum chilenischen MIR (“Bewegung der revolutionären Linken“) - wie mit ihm 13 andere Gefangene, denen ebenfalls die Todesstrafe droht. Diesen vierzehn - zwei Frauen und zwölf Männer - hat das Bundesland Hessen im Oktober die Aufnahme als politische Flüchtlinge angeboten. Vor die Asylgewährung für die Chilenen hat jedoch 1973 die damalige sozialliberale Koalition eine „Sicherheitsüberprüfung“ durch das Bundesinnenministerium gesetzt. Zwar argumentiert SPD–Ministerpräsident Holger Börner jetzt in einem Brief an Außenminister Genscher, „daß von den im Rahmen früherer Aufnahmeaktionen in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten politischen Flüchtlingen aus Chile und Argentinien unseres Wissens deutsche Sicherheitsinteressen zu keiner Zeit beeinträchtigt worden sind“. Doch die heutige Bonner Regierung bedient sich nur zu gern der alten Regelung, um ihre Definition eines „Sicherheitsrisikos“ durchzudrücken. Das beteht nämlich bei Mitgliedern von Widerstandsorganisationen unter Militärdiktaturen dann (so die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag vom 9.12.85), wenn „sich die betreffenden Mitglieder zur Gewalttätigkeit als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele bekennen“. Seit mehr als zwei Jahren steuert die Diktatur auf die Todesstrafe zu. Im Mai 1984 erließ sie ein Anti–Terror–Gesetz, das Verstöße gegen die Staatssicherheit den Militärgerichten unterstellt und die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten stark verschlechtert. Es sieht auch die Todesstrafe vor - obwohl die von Pinochet selbst entworfene neue Verfassung die Todesstrafe ausschließt. Dagegen scheiterte eine Verfassungsklage vor wenigen Wochen beim Obersten Gerichtshof. Der akzeptierte widerspruchlos die Verfassungsänderung durch ein „Gesetzesdekret“ der Junta. Dieses Dekret (Nr. 3655) sieht sogar Standgerichte vor, gegen die es keine Berufungsmöglichkeit gibt. Ein solches Kriegsgericht hatte bereits im Frühjahr 1985 die drei angeblichen Mörder des Generals Urzua, Gouverneur der Hauptstadt, zum Tode verurteilt. Schon damals wären die drei innerhalb von 48 Stunden hingerichtet worden, hätte nicht eine internationale Protestkampagne, der sich auch die Bundesregierung diplomatisch anschloß, erreicht, daß die Verfahren an ein „Militärgericht in Friedenszeiten“ überwiesen wurden. Außenminister Genscher verweist in seinem Anwortbrief vom Oktober an Holger Börner denn auch auf sein damaliges Engagement. Wenn erst eine rechtskräftige Verurteilung zum Tode vorliege, dann werde die Bundesregierung „auch hier wieder auf Begnadigung drängen“. Doch die Familienangehörigen haben nicht nur Angst, weil dann eine Hinrichtung sehr schnell angeordnet werden könnte. Der 33jährige Carlos Garcia, der zu den 14 Bedrohten gehört, wurde bei einem Gefängnismassaker im Oktober 1985 schwer verletzt. Bei dem angeblichen „Aufstand“ verletzten die „Sicherheitskräfte“ 50 Häftlinge und erschossen acht, darunter auch Garcias Genossen Victor Zuniga. Nur wenige Monate zuvor hatte das Bundesinnenministerium Garcia und Zuniga, die ein Asylangebot der Stadt Hamburg hatten, wegen Sicherheitsbedenken die Einreise verweigert.