Die „amtliche“ Herkunft der Hasi–Bombe

■ Deutliche Spur in eine Welt aus Tausendundeinenacht - Der Attentatsprozeß wegen des Anschlags auf die „Deutsch Arabische Gesellschaft“ gab soviele Rätsel auf, wie er löste

Von Kuno Kruse

Mit Freiheitsstrafen von 13 bzw. 14 Jahren endete vor dem Berliner Landgericht das Verfahren gegen die beiden Jordanier Farouk Salameh und Ahmad Hasi. Sie waren von Anfang an geständig, die „Deutsch–Arabische–Gesellschaft“ mit einer 4–kg Bombe in Schutt und Asche gelegt zu haben. Im Sicherheitsglaskasten auf der Anklagebank saßen ein fast lethargischer Salameh und ein verängstigter Hasi, den dämonischen Blick hatten lediglich Gerichtszeichner im Auftrag der Presse in die Züge der Angeklagten gelegt. Die zahlreichen Beobachter im Dienst der Weltöffentlichkeit interessierten sich sowenig für die Opfer wie für die Täter. Denn die Wucht der Bombe, die Decke und Pfeiler einstürzen ließ und Menschen verletzte, wirkt vor allem auf dem diplomatische Parkett. Mit diesem Prozeß sollte die Drahtzieherschaft Syriens für den vielbeschworenen internationalen Terrorismus auch in der Bundesrepublik gerichtsnotorisch werden. Die politische Druckwelle der Explosion ging von Großbritannien aus. Der Nato– Partner hatte nach der Verurteilung des in London lebenden Bruders von Hasi, Nezar Hindawi, die diplomatischen Beziehungen zu Syrien abgebrochen. Als „böser Geist“ so Verteidiger Salm, schwebte der Anstifter Hindawi auch über dem Berliner Schwurgerichtsprozeß. Nur noch versehentlich findet sich auf der ersten Seite der Prozeßakte eine Zeugenvernehmung zu dem Anschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“, als dessen Täter Hasi nach seiner Verhaftung auf den Titelseiten prangte. Revoluzzerposse Im Moabiter Kriminalgericht zerfällt der Traum vom gerechten Kampf für die arabische Nation, der Krieg der Wachsamen gegen Verräter, Zionisten und den US– Imperialismus zur unheiligen Mission entwurzelte Exilanten, die auch ihrem Bedürfnis nach harten Dollars entgegenkam. Ein einfacher kriminalistischer Hintergrund: Man nehme nur den wortgewandten Hochstabler Hindawi als Gespenst der allerstärksten der Parteien, die für die arabisiche Sache neu entflammten Glücksritter Hasi und Salameh, beide vorbestraft. Man berücksichtige strafmildernd das palästinensische Problem, strafverschärfend einen Schuß „Secret Service“: Schon hätte man das Urteil über zwei, die auszogen, auf Prämienbasis zu bomben. Im übrigen hielten sich Ankläger und Angeklagte an den Text aus den polizeilichen Vernehmungsakten. Dieses kompliziert vor allem den nicht justiziablen Hintergrund der Affaire: Erst nachdem sich zwei arabisch sprechende „Angehörige der Schutzmächte“ eingeschaltet hätten, so ein Berliner Staatschutzbeamter, sei Hasi zum Geständnis bereit gewesen, mit „der Hoffnung in Deutschland bleiben zu können“. Man hatte mit der für ihn tödlichen Abschiebung nach Jordanien gedroht. Was die beiden „Briten“ Hasi noch zu bedenken gaben, blieb offen. In London zumindest brauchte man syrische Täter, die bei „La Belle“ nach dem Luftangriff auf Libyen nicht ins Konzept paßten. Die Schlüsselszene der Beweisaufnahme Wer im Gericht die Fährte nach Damaskus wirklich zu lesen versucht, erschrickt, wie zertreten sie ist: Anfang März 1986, Berlin Hauptstadt Alexanderplatz. Alleingelassen steht Ahamd Hasi im Feierabendgewühl, in der Hand den Diplomatenkoffer mit der Bombe, die er erst einmal zur Gepäckaufbewahrung an Ostbahnhof bringen soll. In vermeintlicher Angst verfolgt zu werden, haben seine Begleiter ihn hier einfach aus dem Auto ausgesetzt, nachdem ein Abu Achmad ihm den Sprengstoff mit Zeitzünder nach Dienstschluß in der Küche der syrischen Botschaft in Ost–Berlin überreicht hatte: So das Ergebnis der Beweisaufnahme. Es wäre ein Leichtes für jeden syrischen Diplomaten gewesen, ein Gepäckstück unkontrolliert in der CD–Karosse über die Grenze zu fahren. Es wäre noch unauffälliger gewesen, ihm nur den Gepäckschein zuzustecken. Sollte dieser erste Auftrag durch den Übergabeort Botschaft etwas „Amtliches“ bekommen? Ein Ansporn etwa, der Zugzwang schafft und nicht Zweifel sät? Ein dreiviertel Jahr vorher, istHasi auf Einladung seines Bruders gemeinsam mit Salameh nach Tripolis gereist. Die Flugkosten erstattete das libysche Volksbüro in Bonn. Eine Woche lang wurden sie mit Broschüren und Videos über den Revolutionsführer Gaddhafi versorgt. Doch in Libyen, so scheint es, macht Hindawi mit seiner hoffnungsfrohen Exilgruppe keine guten Staat. „Wir verließen Libyen ohne Auftrag“, erinnert sich Hasi, aber mit 5.000 Dollar in der Tasche. Ein sattes Ausfallhonorar für eine Gurkentruppe. Auch Hindawi kommt dann sichtlich enttäuscht nach Berlin. „Sie wollten ihm kein Geld geben“, erzählt Hasi der Polizei. Jetzt ahnte Hasi, daß Hindawi, „ein Spinner“ und einziges Mitglied der“Organisation“ war. Auch ein umgehend in Berlin erarbeitetes Programm der aus der Taufe gehobenen „Revolutionären Jordanischen Bewegung“ konnte den libyschen Kontaktmann Alifi angeblich nicht zu größeren Zahlungen verlocken. Doch ab jetzt stand die schlagwütige Truppe zur allgemeinen Disposition für den, der zu zahlen bereit war. Prompt war der rührige Hindawi, so berichtete er seinem Bruder, in Damaskus vorstellig geworden. Aus Syrien verhieß er seinen Freunden in Berlin den künftigen Geldsegen bis zu einer Dreiviertelmillionen DM. Nur um einem Brief überreicht zu bekommen, wird der Amateur Salameh mit Aussicht auf einen lukrativen Herointransport nach Damaskus gelockt und vom Agentenchef perönlich in eine Villa chauffiert, die er wie eine Geheimdienstzentrale aus jedem Krimi beschreibt. Doch so spannend die Story sein mag, darf nicht vergessen werden, daß sie ausschließlich auf den Aussagen der Angeklagten basiert. In seinem Schlußwort machte Hasi eins nochmal deutlich: „Ich tat alles für die Revolutionäre Jordanische Bewegung.“ Die aber hat es nie gegeben.