I N T E R V I E W Angriff auf Popularität

■ Robert Jungk äußert sich zu dem gegen ihn angelaufenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

taz: Die Hanauer Staatsanwaltschaft hat nach deiner Rede auf der dortigen Kundgebung gegen die Nuklearfabriken ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch und Volksverhetzung gegen dich eröffnet. Fühlst du dich schuldig? Robert Jungk: Wenn ich für unsere eigene Sicherheit und die Sicherheit unserer Kinder spreche, dann bin ich jemand, der aufklärt und nicht verhetzt, und jemand, der versucht, das Land friedlich zu machen. Die Beschuldigungen sind typisch für die neue Richtung. Man will alle bekannten Sprecher mundtot machen und diejenigen, die sich gern zu Wort melden, einschüchtern. Ein gezielter Angriff auf deine Integrität? Nein, auf meine Popularität. Meine Integrität kann durch solch einen Angriff in keiner Weise beschädigt werden. Du schließt deine Rede mit der Parole „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“. Ich meine damit nicht Fensterscheiben, das ist viel zu kurz gesehen. Ich meine damit die Pläne der Atombetreiber, die uns ins Unheil führen. Wenn man Fensterscheiben einwirft, lenkt man von dem wirklichen Ziel, nämlich der Bekämpfung der Plutoniumgefahr ab. Wenn du sagst, Gewaltfreiheit und Militanz darf sich nicht auseinanderdividieren lassen - an welche Militanz denkst du da? Ich denke da an Notwehr. Wasserwerfer, die chemisiertes Wasser verspritzen, oder Maschinen, die einen Wald zerstören, sind Instrumente, gegen die man sich wehren muß. Das ist Kampf um die Bewahrung des Lebendigen. Du relativierst die Gewalt des Widerstands gegen die großtechnischen Zerstörungpotentiale. Ich möchte sie dorthin lenken, wo sie notwendig ist. Ich will sie nicht als eine wild wuchernde, unpräzis angewandte Gewalt wissen. Sie macht es für die Millionen Menschen, die sich uns anschließen wollen, schwieriger, weil sie vor solchen oberflächlichen, sinnlosen Gewalttaten zurückschrecken. Alle Aktionen, die einzig der Reaktion dazu dienen, ihre Abscheu daran aufzuhängen, halte ich für verständlich, aber schädlich für den Gesamtwiderstand. Wie denkst du, lassen sich Gewaltfreie und Militante zusammenhalten? Ich denke, daß man entschiedene Leute, die etwas riskieren, wie diese Tierschützer, die in Reykjavik das Walfangschiff versenkt haben, auf keinen Fall ausgrenzen darf. Entschiedene Leute haben ein Recht darauf, daß wir zu ihnen halten. Wir wollen Einfluß auf sie ausüben, damit sie vernünftige, zum Ziel führende Aktionen machen, und sie sollen uns mutiger und entschiedener machen. Das Gespräch führte Kuno Kruse