Keine Ansprechpartner für Behinderte

Moers hat eine neue Behindertenbeauftragte. Aber nur jede zehnte Kommune in Nordrhein-Westfalen leistet sich dieses Angebot. Breite Türen, große Schriften und ein einfacheres Amtsdeutsch lassen so weiter auf sich warten

DÜSSELDORF taz ■ Menschen mit Behinderungen haben es jetzt in Moers besser: Die niederrheinische Stadt hat seit Anfang der Woche eine hauptamtliche Behindertenbeauftragte. Jedes öffentliche Bauvorhaben muss nun den Schreibtisch von Angelika Schütz passieren. In jedem Ratsausschuss hat sie Rederecht. Viele KollegInnen hat die 50-Jährige allerdings nicht. Lediglich jede zehnte Kommune in Nordrhein-Westfalen leistet sich diesen Job. Dabei gelten 1,7 Millionen Menschen in NRW offiziell als schwerbehindert – knapp jeder zehnte Bürger.

„Viele Städte sperren sich gegen offizielle Beauftragte“, kritisiert Paul Plank, Justiziar des Sozialverbandes VdK NRW, „immerhin kosten deren Forderungen häufig eine Stange Geld.“ Rollstuhlrampen, breite Türen oder sehbehinderten-taugliche Beschilderungen sind teuer.

„Viele übersehen dabei, dass solche Verbesserungen für alle gut sind“, sagt Doris Rüter, Sprecherin des Arbeitskreises der NRW-Behindertenbeauftragten. Immerhin profitierten genauso gut ältere Menschen und Eltern mit Kinderwagen von Rampen und selbst öffnenden Türen. Große Hinweisschilder und verständliche Piktogramme seien nicht nur für Sehbehinderte, sondern für jeden nützlich.

In der Adressenliste ihres Arbeitskreises stehen allerdings nur 50 Beauftragte. Darunter ein großer Teil von Dezernenten, die sich neben der Behindertenpolitik mit vielen anderen Dingen beschäftigen müssen. Bei 396 Kommunen sind also selbst nebenamtlich nur etwas mehr als zehn Prozent der Städte versorgt – zu einer größeren Verpflichtung war die rot-grüne Landesregierung nicht bereit. Im allgemein formulierten Paragraph 13 des Gleichstellungsgesetzes vom 1. Januar 2004 schiebt das Land jegliche Verantwortung für den personalen Bereich auf die Kommunen ab. „Wir hatten eigentlich eine Pflicht zur Einrichtung von Behindertenbeauftragten angeregt“, sagt Doris Rüter. Doch die Konnexitätsregelung (“Wer bestellt, der bezahlt“) hat die rot-grünen Landespolitiker vor einer eindeutigen Formulierung offensichtlich zurückschrecken lassen.

„Unter der neuen Landesregierung wird unsere Arbeit garantiert nicht einfacher“, sagt VdK-Justiziar Plank über die gegenwärtige Situation. Die NRW-Interessenvertretung von 200.000 Senioren und Behinderten sieht als ersten positiven Effekt des Gleichstellungsgesetzes lediglich eine größere Öffentlichkeit für die Probleme ihrer Mitglieder. Von den konkreten Möglichkeiten des Gesetzes wie zum Beispiel gemeinsamer „To-Do-Listen“, den so genannten „Zielvereinbarungen“, von Verbänden und Kommunen werde jedoch bisher kaum Gebrauch gemacht. Dies deckt sich auch mit den Aussagen des Sozialverbandes Deutschlands, der in NRW 100.000 Behinderte vertritt. „Vieles schreitet nur sehr zögerlich voran“, sagt die 2. Landesvorsitzende Angelika Winkler und fordert eine möglichst schnelle Neubesetzung der Landesbehindertenbeauftragten.

Nach dem Regierungswechsel vor sechs Wochen in Düsseldorf klafft nämlich in der jungen Behörde ein großes Loch. Eine Nachfolgerin für die bisherige Landesbehindertenbeauftragte Regina Schmidt-Zadel steht noch nicht fest. RALF GÖTZE