„Welse spüren das“

Viele Tiere ahnten die Flutwelle. Als Warnsystem taugen sie nur bedingt, so Experte Helmut Tributsch

taz: Herr Tributsch, Vögel und das Gebrüll der Elefanten sollen die Bewohner zweier indischer Inseln rechtzeitig vor dem Tsunami gewarnt haben. Können Tiere Beben vorhersagen?

Helmut Tributsch: Sie reagieren schon bis zu 20 Stunden vor dem Beben. Schweine rennen hektisch umher, Vögel flattern, Hunde bellen. In Japan etwa gilt der Wels als Seebebenvorhersager. Er springt dann aus dem Wasser.

Warum ahnen die Tiere ein Beben?

Vor einem Erdbeben laden sich zum Beispiel die Teilchen in der Luft auf. Die Tiere spüren das. Bei einem Seebeben gibt es andere Wellen – schneller, aber so harmlos, dass Menschen sie nicht bemerken. Tiere sind da sensibler.

Funktioniert das auch beim Sonderfall Tsunami?

Den Mechanismus bei diesem Tsunami erkläre ich mir so: Das Beben brach am Boden des Meeres aus. Die Wellen liefen durch das Wasser, aber auch durchs Gestein. Dort hat sich die Welle viel schneller fortbewegt. So konnten die Tiere Vibrationen spüren – lange bevor die riesigen Wasserwellen die Küste erreichten.

Wäre es sinnvoll, Tiere als Frühwarner einzusetzen?

Das haben vor allem die Chinesen schon oft versucht. Zur Zeit Mao Tse-tungs mussten die Bauern in den Kolchosen Meldung erstatten, sobald sich die Hühner und Schweine seltsam verhielten. Bei vielen gleichzeitigen Berichten warnten die offiziellen Stellen vor einem Beben. Auch Fledermäuse gelten als gute Frühwarner.

Sind Tiere als Erdbebenwarner geeigneter als Hightech?

Sich auf Tiere zu verlassen, wäre zu unsicher. Man muss die verantwortlichen physikalischen Veränderungen aufdecken.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT

Helmut Tributsch, 61, ist Professor für physikalische Chemie an der FU Berlin