Putin und Pointen

Ab 22.10 Uhr reitet RTL auf dem Improvisations-Zug und Bastian Pastewka in der Transsibirischen Eisenbahn

Improvisation ist der neue Zwang im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Nach dem Erfolg der Auf-Zuruf-Alberei „Schillerstraße“ (Sat.1) lässt nun auch RTL bei „Frei Schnauze“ (22.10 Uhr) das johlende Publikum gemeinsam mit Spielleiter Mike Krüger das Handeln von vier Comedians bestimmen. Krüger kann man nicht einmal mehr vor einen Buzzer setzen, ohne dass er diesen bis zum Nervenkollaps penetriert. Sowieso scheint es mehr um „Schnauze“ als um „frei“ zu gehen, anders ist nicht zu erklären, warum alle Beteiligten unnachgiebig schreien. Comedy-Improvisation, das heißt hier vor allem: Lärmen gegen die Leere. Hektische und doch unterforderte Stars von Schöneberger bis Nontschew, die allesamt schon zu oft schlagfertig sein mussten, um zu scheitern, und trotzdem nur peinlich erregt hektische Rollenspiele bekreischen.

Nicht unberechenbarer als ein Activity-Spieleabend. Dabei wurde der Anspruch der improvisierten Unterhaltung im Fernsehen längst definiert: Olli Dittrichs und Anke Engelkes „Blind Date“ wusste, wo der wahre Reiz der Ungewissheit wartet. An unbekannten Orten, im Alltag, im Kleinen. Im Stillen. Dort also, wo auch Bastian Bastewka zu Hause ist. Der trägt heute Abend Scheuklappen. Für die zwei ersten Folgen der neuen Staffel von „Bastewka in …“ reiste er als humoriger Weltentdecker quer durch Russland: von Sibirien bis nach St.Petersburg (22.45 Uhr).

Doch wenn der geniale Stoffel irgendwo in den sibirischen Weiten seine „Dschingis Khan“-Schallplatte bestattet, will man eigentlich mehr sehen von dieser unglaublichen Landschaft. Doch die Kamera fängt lediglich ein, wie Bastewka gewohnt situationskomisch und selbstironisch herumsketcht und dann schnell weiterhastet. Wenn der Herr der schlichten Komik später in einem St. Petersburger Nachtklub eine vollbusige Blondine heiratet, fragt man sich: Wer sind diese Menschen, die hier so wunderbar skurril den Putin’schen Alltag wegtanzen?

Pastewka schweigt und stürzt sich in den nächsten Ulk, irgendwo im Hotelzimmer. Sein Unwille, den Reiseleiter zu mimen, ist verständlich. Dennoch bleibt das Gefühl, hier würden Schauplätze und steilvorlagige Szenen verschenkt. Denn Pastewka zeigt auf den vielen kurzweiligen Reisestationen, dass er den besten Blick für das Interessante und Alberne des russischen Alltags hat, augenzwinkernd, aber verdammt einfühlsam. Deshalb ist „Pastewka in Russland“ zu kurz geraten. Eine Teilbefriedung, weil die Chance vertan wurde, intelligenten Humor mit einem intelligenten Marco-Polo-Format zu verquicken. Genau das hätte wohl nur Bastian Pastewka schaffen können. PATRICK BAUER