Ich-AGs entlasten Gersters Statistik

Bundesanstalt für Arbeit meldet Erfolge der Hartz-Reform, rechnet aber mit der höchsten Arbeitslosigkeit seit 1990

BERLIN taz ■ Florian Gerster gab sich optimistisch. Zum ersten Mal seit Monaten konnte der Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit (BA) am Donnerstag eine gute Nachricht verkünden: Trotz der schwachen Konjunktur ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im September überraschend stark gesunken.

Nach Angaben der Bundesanstalt waren im letzten Monat 4,2 Millionen Menschen ohne Job. Das sind zwar 107.400 Arbeitslose weniger als im Vormonat, aber immer noch 265.000 mehr als im Vergleichsmonat 2002. Gegenüber dem August 2003 ging die Arbeitslosenquote dagegen von 10,4 auf 10,1 Prozent zurück. Getrübt wurde die Stimmung von der erwarteten Jahresbilanz. So wird die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2003 nach Schätzung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf fast 4,4 Millionen steigen. „Das wäre der höchste Stand seit der deutschen Vereinigung“, heißt es in einer gestern vorgestellten Analyse des Instituts.

Für Gerster ist der augenblickliche Rückgang dennoch ein Grund zur Zuversicht – hatten doch Ökonomen auch für den September einen erneuten Anstieg der Erwerbslosigkeit prophezeit. Der Chef der Bundesanstalt führt seinen Erfolg auf die neuen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zurück. Diese bedeuteten „fördern, vor allem aber fordern“, sagte Gerster in Nürnberg. So erklärt sich die Abnahme vor allem durch die schärfere Prüfung der Arbeitsbereitschaft von Erwerbslosen durch die Arbeitsämter.

Außerdem entlastet der Anstieg der Existenzgründungen die Statistik: Seit Jahresbeginn verwandelten sich rund 61.800 Arbeitslose in eine Ich-AG. Langfristig halten Experten diese Tendenz für zweifelhaft. „Schätzungsweise besitzen fünf Prozent der Arbeitslosen das Potenzial, sich erfolgreich selbstständig zu machen“, warnte Ulrich Walwei, Vizedirektor des IAB. Frank-Michael Weise, Vorstandsmitglied der BA, verwies zudem auf saisonale Gründe für die gesunkene Arbeitslosigkeit.

Ökonomen bestätigen den positiven Effekt der Hartz-Gesetze. „Offensichtlich scheint die Wirkung der Hartz-Reformen größer auszufallen, als wir bislang erwartet haben“, sagte Andreas Rees, Volkswirt der Hypovereinsbank. Nach Ansicht von Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei Invesco Asset Management, wird sich dieser Einfluss aber schnell wieder verfüchtigen, da die Zahl der Arbeitsunwilligen, die nun aus der Statistik herausgedrängt würden, begrenzt sei. „Das ist in etwa vergleichbar mit einer Zitrone, die man auch nicht unendlich auspressen kann.“

Eine Trendwende mag bisher niemand erkennen. So wird nach Angaben des IAB die Arbeitslosigkeit auch im nächsten Jahr so gut wie nicht zurückgehen. Das Jahr 2004 bringe „zwar eine allmähliche Besserung, aber noch keinen Durchbruch“, heißt es in der aktuellen Studie. Dabei geht das Institut sogar von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent aus – eine Annahme, die andere Analysten zumindest bezweifeln. Auch in nächster Zeit muss sich Gerster also wohl auf die Verbreitung von guten Nachrichten des folgenden Typs berufen: Im bevorstehenden Winter, so teilte der BA-Chef gestern mit, erwarte er „deutlich weniger als fünf Millionen Arbeitslose“.

ANDREAS SPANNBAUER