Abgeschoben mit Schleppermethoden

In Australien wird den Behörden vorgeworfen, Flüchtlinge zu Bestechung und Passfäschung zu drängen, um Abschiebungen durchzusetzen. Einwanderungsminister Ruddock wechselt jetzt ausgerechnet ins Justizressort

MELBOURNE taz ■ Mitarbeiter der australischen Einwanderungsbehörden sollen Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung gedrängt haben, sich gefälschte Pässe zu besorgen und bei Ankunft in ihren neuen Zielländern Grenzbeamte zu bestechen, um überhaupt Aufnahme zu finden. Diese Vorwürfe erhebt ein vorläufiger Forschungsbericht eines katholischen Instituts, der auf Interviews mit 20 Abgeschobenen basiert. Da über ein Drittel der Befragten in unabhängig voneinander und an verschiedenen Orten geführten Interviews diese Vorwürfe erhoben habe, halte er diese für glaubwürdig, sagte Phil Glendenning, einer der Ko-Autoren, dem Sydney Morning Herald. Die in der Studie des Edmund Rice Centre enthaltenen Vorwürfe, die der Herald als „umgekehrten Menschenschmuggel“ bezeichnete, wies die Regierung zurück.

Laut Glendenning berichteten die Flüchtlinge, dass sie unmittelbar vor der Abschiebung Geld erhalten hätten mit der Aufforderung, Scheine im Wert von 50 bis 200 Dollar in ihre Reisepapiere zu legen, um Grenzbeamte milde zu stimmen. Das Einwanderungsministerium teilte hingegen mit, Abgeschobene würden nur Geld erhalten, um ihre unmittelbaren Lebensbedürfnisse nach ihrer Ankunft befriedigen zu können. Alles andere sei ihre Sache.

Mit den Vorwürfen und anderen mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten während der siebenjährigen Amtszeit von Einwanderungsminister Phillipp Ruddock wird sich jetzt ein Untersuchungsausschuss des australischen Senats beschäftigen. Der konservative Ruddock, der bei öffentlichen Auftritten früher gern einen Anstecker der Menschenrechtsorganisation amnesty international trug und der kürzlich Justizminister wurde, war bisher das Aushängeschild der auf Abschreckung setzenden australischen Flüchtlingspolitik. So ist er ein maßgeblicher Verfechter der Zwangsinternierung illegal eingereister Flüchtlinge.

Der öffentlich-rechtliche multikulturelle TV-Sender SBS warf Ruddock in einem Bericht Günstlingswirtschaft und Bestechlichkeit vor. Der Sender berief sich dabei auf Aussagen des libanesischstämmigen Einwanderungsagenten Karim Kisrawani. Der war ein Freund Ruddocks und fungierte als Mittelsmann zwischen Asylbewerbern und Behörden. In den letzten drei Jahren ersuchte er Ruddock in 55 Fällen um die Genehmigung zuvor abgelehnter Aufenthaltsvisa. Seine Erfolgsquote von über 50 Prozent war weit höher als die eines offiziellen Überprüfungsausschusses, der nur in 18 Prozent der Fälle eine Visaerteilung bei Ruddock durchsetzen konnte. Der Minister hat das Recht, beliebig Visa zu erteilen, auch entgegen Entscheidungen unterer Instanzen.

Kisrawani warf Ruddock auch vor, von dem in den Philippinen wegen Betrugs gesuchten Geschäftsmann Dante Tan 10.000 australische Dollar Wahlkampfspenden im Tausch für ein Visum angenommen zu haben. In seiner Liberalen Partei ist Ruddock laut dem Ex-Parteivorsitzenden Clive Troy ein „sehr wirkungsvoller Spendenbeschaffer“. Ruddock bestreitet die Vorwürfe.

Für den Minister dürfte der kürzliche Wechsel ins Justizressort im Rahmen eines weitgehenden Kabinettsrevirements eine willkommene Abwechslung sein nach dem umstrittenen Einwanderungs-Portefeuille. Dabei wird Ruddock jetzt auch die Aufsicht über eine Vielzahl der von ihm selbst veranlassten Berufungsverhandlungen in Einwanderungsfragen haben. Darunter ist auch Ruddocks Anfechtung einer Entscheidung des Hohen Gerichtshofes. Der hatte entschieden, dass das Einwanderungsministerium kein Recht habe, Kinder von Asylbewerbern in den mit Stacheldraht gesicherten Internierungslagern einzusperren.

Ansonsten wird sich wohl nichts an der harten Flüchtlingspolitik ändern. Das hat die neue Einwanderungsministerin, Senatorin Amanda Vanstone, bereits klar gemacht. Jeder illegale Einwanderer, Flüchtling oder Asylbewerber, wird weiter zwangsläufig in ein Internierungslager gesperrt werden. Hunderte Menschen schmachten schon zum Teil seit Jahren in diesen oft in unwirtlichen Wüstengebieten liegenden Lagern, wo sie keine Berührung mit der Außenwelt haben.

Inzwischen stellte die UNO bereits zum dritten Mal fest, dass die Zwangsinternierung von Flüchtlingskindern durch die Regierung des konservativen Premierministers John Howard internationales Recht verletzt. Den einstigen Anwalt Howard stört das nicht. Die letzten Wahlen gewann er – unmittelbar nach dem Streit um den Flüchtlingsfrachter „Tampa“ – gerade auch wegen dieser restriktiven Politik.

BORIS B. BEHRSING