Grüner Dorfchef auf kurvigem Terrain

Er saß als erster Grüner auf einem deutschen Bürgermeistersessel. Aber wie lange noch? Denn Elmar Braun aus dem schwäbischen Maselheim möchte eine Autorennstrecke bauen lassen. Seitdem entfacht seine Klientel einen Proteststurm

aus Maselheim RÜDIGER BÄSSLER

Das übersichtliche Rathaus von Maselheim im Oberschwäbischen ist Elmar Braun zu einer Trutzburg geworden. In der sitzt er, der erste und dienstälteste grüne Bürgermeister Deutschlands, und liest erschrocken, was ihm seine Belagerer per Post schicken. Anonyme Schmähbriefe, knittrige Zettel voller unflätiger Beschimpfungen, E-Mails, in denen gehöhnt wird: „Ist Braun noch grün?“

Das alles, weil in der 4.500-Seelen-Gemeinde ein unerhörtes Bebauungsplanverfahren in Gang gekommen ist. Es geht um die Bewilligung eines 32 Hektar großen „Motoparks Schwaben“, der in einer alten Kiesgrube gebaut werden soll. Zehn bis zwölf Millionen Euro will ein Konsortium auf dem steinigen Grund investieren. Geplant ist zum einen ein Kart-Rennkurs mit allem, was dazu gehört: Fahrerlager, Boxengasse, Zuschauertribüne und großer Fahrhalle für nasskalte Tage. Gleich daneben soll eine Teststrecke für Lastwagen und Busse entstehen. 30 bis 40 Arbeitsplätze sollen entstehen, dazu noch einmal so viele Teilzeitstellen. Sogar für die Ansiedlung von Autoservice-Firmen wäre nebenan noch Platz.

Die Mitglieder im Käuferkonsortium wollen derzeit noch anonym bleiben, es seien aber „große Firmen“ darunter, verspricht Braun. Sie hätten eine ganze Reihe von Territorien sondiert und die Gemeinde Maselheim als idealen Standort auserkoren. Angeblich spekulieren die Investoren auf eine baldige EU-Verordnung, die Busunternehmen und Speditionen Fahrsicherheitskurse vorschreibt.

Auch der Maselheimer Gemeinderat befürwortete das Bauvorhaben – mit Ausnahme der beiden Grünen im Gremium. Mittlerweile aber sieht Braun sich einem wahren Proteststurm gegenüber, der vor allem von einer Bürgerinitiative angefacht wird. Sie piesackt den Schultes mit der ganzen Klaviatur öffentlichen Protestes. Gewarnt wird vor Lärm, Gestank und anreisenden Scharen Bier trinkender Rennsportfanatiker. Braun wird in Leserbriefen als Renegat der Grünen gebrandmarkt.

„Die Bürgerinitiative hat die Lufthoheit über den Stammtischen“, klagt der Bürgermeister. Wenn das so weitergehe, fürchtet er, werde „das Ding“ scheitern, ohne dass alle Fakten diskutiert worden seien. Dabei achte gerade er auf ökologische Belange und die Befindlichkeiten der betroffenen Anwohner. Er hat ein eigenes Lärmgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis noch aussteht. Er will sich dafür einsetzen, dass an katholischen Feiertagen alles ruhig bleiben muss in der Kiesgrube. Aber mit Sachargumenten käme er kaum noch durch.

Dazu erfährt er schmerzlich, wie sich auch andere Grüne in der Region von ihm distanzieren. Die Grünen-Fraktion im Biberacher Kreistag, obschon gar nicht zuständig, hat gegen seinen Rennkurs gestimmt und wusste dabei auch Ex-Kreistagsmitglied Oswald Metzger hinter sich. Vereinzelt wird sogar ein Parteiausschlussverfahren gegen Braun gefordert. Sein Amtskollege aus dem benachbarten Warthausen, Cai-Ullrich Fark, ebenfalls ein Grüner, hat sich mitsamt seinem Gemeinderat gegen den Motopark ausgesprochen.

Gegen ideologische Argumente, sagt Braun, komme er natürlich nicht an: „Bei den Grünen gibt es Leute, die sind der Meinung, Motorsport ist völliger Unsinn. Das muss man akzeptieren.“ Er selbst sieht das anders. Alte Fotos zeigen ihn als jungen Mann auf dem Hockenheimring, auf einem 250er-Rennmotorrad in einer Kurve liegend. Braun war passionierter Rennfahrer und besitzt bis heute mehrere Motorräder. Bisher hatte das nie jemanden gestört. Jetzt schon.

Da sitzt der Bürgermeister mit Ohrring und großem, grünem Plastikfisch am Revers, ringt die Hände und versichert, er sei immer noch der Alte. So viele „grüne Projekte“ habe er seit 1991 schon durchgesetzt. Auf dem Rathaus arbeitet eine Photovoltaikanlage. Das Dach des benachbarten Feuerwehrhauses ist begrünt, der örtliche Feuerlöschteich als Biotop angelegt worden.

Aber zugleich ist die Zahl der ortsansässigen Handel- und Gewerbetreibenden in der bäuerlichen Gemeinde zurückgegangen. Handwerker machen dicht, Jugendliche ziehen weg. Der Gemeindekasse fehlen die Gewerbesteuern und damit der Gestaltungsspielraum. Braun aber will seine Amtszeit nicht als müßiger Verwalter des Mangels vertrödelt haben. Selbst, wenn ihn das bei der nächsten Wahl in dreieinhalb Jahren seinen Stuhl kosten sollte. „Ist das nicht das Problem unserer Politik“, fragt er, „dass jeder nur noch an seine Wiederwahl denkt?“