Ratlos trotz Arroganz-Maske

■ Maximilian Hecker in der Kulturetage: Ist er das wirklich?

Was genau macht einen jungen Musiker eigentlich zur „Zukunft des Pop“ (taz über Hecker) und ka- tapultiert dessen Platte in die Jahres-Top-Ten der New York Times? Nun, der 24-jährige Maximilian Hecker hat eine Platte gemacht, die sich ausschließlich dem ewigen Thema Liebe widmet und er hat sie „Infinite Love Songs“ genannt. Sie ist musikalisch so amorph und eigen, dass jeder hineinhört, was er hineinhören möchte.

„Liebe in den Zeiten von Blumfeld, aber noch direkter.“ (taz), „eine Mischung aus Travis und den Beatles“ (SZ), „Pop zwischen Radiohead und Moby“ (zitty) – manche hören im sehnsüchtigen Engels-Gesang Sigur Rós, andere eher Mark Hollis (Talk Talk). Fragt man den Künstler selber, gibt er als Hauptinspirationsquelle für sein Songwriting Queen an. Meint der das ernst oder ist das eine Provokation?

Nahezu überall war zu lesen, wie arrogant die Pop-Hoffnung sei. Andererseits hört man von Kollegen, dass Hecker eigentlich ein ganz netter Mensch wäre der auf den Vorwurf der Arroganz entgegnet, dass er bei dummen Journalisten halt dicht machen würde. Der Topos des sensiblen Pop-Künstlers, der seine Verletzlichkeit hinter der Maske der Arroganz verbirgt – die Frage ist: Bastelt sich Hecker daraus sein Image, oder ist es bei ihm wirklich so?

Wer sich diese Frage stellt, ist mittendrin im Faszinosium: Maximilian Hecker, die perfekte Projektionsfläche. Seine Songs sind einfach, aber anders. Sie handeln in einfachen Worten von unerfüllter Liebe und Heckers Vortrag könnte man mit „sehnsuchtsvollem Schmachten“ umschreiben. Hecker meint, so sei man halt als junger Mensch – und der Alters-Durch- scnitt des Publikums an diesem Abend gibt ihm recht.

Hecker wirkt schüchtern, wie er da alleine auf der Bühne steht und Gitarre spielt oder hinter seinem Keyboard sitzt und nach jedem dritten Song „Danke“ murmelt. Aber die Schüchternheit mag man einem Musiker nicht abnehmen, der der Legende nach auf der Straße beim Musizieren entdeckt wurde und seit Oktober ununterbrochen auf Tour ist. Ständig steht die Frage nach der Echtheit im Raum – ob ihm bei einer besonders sehnsuchtsvollen Passage fast die Stimme wegbricht oder er seinen Kopf auf die Keyboard-Tasten legt.

Während der Zugabe gibt er dann den Alleinunterhalter und spielt erstaunlich genau Fitzelchen aus Klavierstücken von Stockhausen und aus „Die Krähen schreien“ von Nikos Mamangakis, der Musik aus Edgar Reitz' Fernsehserie „Die zweite Heimat“. Das sorgt natürlich für noch mehr Irritation.

Die dritte Zugabe gibt es dann nicht mehr, weil Hecker etwas zu spät auf die Bühne schlurft und das Mikro bereits ausgestellt ist. Der ratlose Hecker steht noch einen Augenblick vor dem ratlosen Publikum, in dessen Richtung er die Bühne dann final verlässt.

Dieter Wiene