Massaker bleibt ungesühnt

Die salvadorianische Justiz will Expräsident Cristiani wegen der Ermordungvon sechs Jesuiten nicht vor Gericht stellen. Fünf von ihnen waren Spanier

SAN SALVADOR taz ■ Die salvadorianische Justiz will einfach kein Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Alfredo Cristiani eröffnen. Das Menschenrechtsbüro der Jesuiten-Universität in San Salvador bestätigte am Donnerstag, dass ein Gericht nun auch in zweiter Instanz einen entsprechenden Antrag abgewiesen hat. Die Universität hatte verlangt, Cristiani und sechs Militärs wegen eines Massakers vor Gericht zu stellen, bei dem am 16. November 1989 sechs Jesuiten und zwei ihrer Hausangestellten ermordet worden waren.

Der Mord, ausgeführt von einer Elite-Einheit der Armee, fand mitten in der größten Guerilla-Offensive des salvadorianischen Bürgerkriegs (von 1980 bis 1992) statt. Er führte dazu, dass die USA kurzfristig die Militärhilfe einstellte und so Cristiani zu ernsthaften Verhandlungen zwang. Gut zwei Jahre später wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet. Obwohl das Massaker nachweislich von Generalstab beschlossen worden war und es deutliche Hinweise darauf gibt, dass Cristiani mindestens damit einverstanden war, wurde keiner der Beteiligten je strafrechtlich belangt.

Das jetzt gefällte Urteil enthält immerhin einen Teilerfolg für die Jesuiten: Das Gericht stellte zum ersten Mal fest, dass das Verbrechen nicht unter eine von der Cristiani-Regierung erlassene Generalamnestie von 1993 fällt, weil nach der Verfassung kein Präsident sich selbst amnestieren darf. Aber: Anstiftung zum Mord sei nach zehn Jahren verjährt. Das stimmt so nicht. Da Präsidenten während ihrer Amtszeit Immunität genießen, beginnt nach dem salvadorianischen Gesetz die Verjährungsfrist erst an dem Tag, an dem sie ihr Amt niederlegen. Bei Cristiani war dies am 1. Juni 1994.

Trotz dieser Unstimmigkeiten ist die Angelegenheit mit dem Urteil praktisch entschieden. Es besteht zwar die Möglichkeit, beim selben Gericht einen Widerspruch einzureichen. Doch niemand in El Salvador erinnert sich an einen Fall, in dem eine Kammer ihr eigenes Urteil revidiert hätte.

Trotzdem kündigte das Menschenrechtsbüro der Universität an, diesen Schritt zu tun. Aus einem einfachen Grund: Der Fall soll danach vor ein spanisches Gericht gebracht werden. Fünf der sechs ermordeten Patres waren nämlich Spanier. Cristiani wird das gar nicht gefallen. Der Expräsident ist heute der einflussreichste Unternehmer des Landes. In seinem Finanzimperium aus Banken, Versicherungen und Rentenfonds arbeitet er eng mit spanischen Partnern zusammen. TONI KEPPELER