Schneller schummeln

■ Das Internet bietet Arbeitserleichterung – die SchülerInnen nutzen

„Internet ist ein heißes Thema“, sagt der Leiter des Vegesacker Gymnasiums, Wilfried Hornung. Zwar waren Web-Seiten wie „referate.de“ oder „hausaufgaben.de“ – und der damit mögliche einfache Knopfdruck fürs Schüler-Schummeln – noch nicht Thema einer LehrerInnenkonferenz. Aber KollegInnen beraten doch, wie mit computerkundigen SchülerInnen mitzuhalten – oder im Zweifel dagegen anzugehen – sei. Dem Mathelehrer graust schon vor dem Tag, wenn die Kids dank technologischer Hochrüstung auf dem Informationssektor mit „Knopf im Ohr“ kommen. Bis dahin machen er und seine KollegInnen sich über die flinke SMS-Kurzmeldung von Schülerhandy-zu-Schülerhandy Sorgen.

Welches Ausmaß diese telefonische Lösungsübermittlung oder das Referate-Anfertigen à la Suchbefehl und „print“ hat, weiß in Bremen kein Mensch. Wohl aber, „dass sich in den Gesichtern mancher Lehrer richtige Dramen abspielen, wenn die erstmal verstehen, was das Internet für ihre Arbeit bedeutet“. Das jedenfalls beobachtet immer wieder Michael Plehnert, Referent für „Neue Medien“ am Landesinstitut für Schule. Er meint: Nur informierte LehrerInnen, die die Schülerhilfsmittel kennen, können dem modernen Schüler-Pfusch begegnen. Das freilich ist ein hoch gestecktes Ziel.

„Da gibts doch soooo viele Angebote“, stöhnen selbst SchülerInnen. Melanie Silling* beispielsweise, Bremer Gymnasiastin, 9. Klasse, wurde vom reichhaltigen Angebot schon derart aus der Bahn geworfen, dass sie das Sozialkunde-Referat über die USA schließlich selbst verfasste. „Das war einfacher als hundert Referate dazu im Internet zu sichten.“ Außerdem wissen Internet-Kids wie Melanie, dass das Aufspüren eines geeigneten Referats noch nicht alles ist.

Ihr Credo: „Den Text muss man runterkürzen und Fehler reinbauen, sonst fällt das auf.“ Melanie kennt schließlich ihr Schülerinnenprofil. Gut. Und dem muss sie eben auch beim Referat-aus-dem-Internet-runterladen entsprechen. Ihre Erfahrung: Dann klappt's auch. „Wir haben in Geographie eine Eins gekriegt“, lacht sie: „Wir hatten solche Zeitnot.“ Der Arbeitsaufwand ihres Dreier-Teams: Ein Tag.

Per SMS würde Melanie allerdings nie schummeln. „Großes Risiko.“ Tatsächlich hat der Senator für Bildung und Wissenschaft laut Verfügung 17/2000 bereits geregelt, dass bei Prüfungen das Mitbringen nicht zugelassener Hilfsmittel „insbesondere von Geräten, die der Speicherung, Verarbeitung oder Übermittlung von Informationen dienen, wie Handys, Pager, Palmtops“ in der Schule als Täuschungsversuch zu behandeln sind. Doch SchülerInnen wie Melanie fürchten vor allem: „Ein Lehrer, der dich einmal erwischt, behält dich ein Leben lang im Kopf.“

„Im Grunde genommen ist es ein altes Problem, für das es jetzt neue Mittel gibt“, bilanziert nüchtern Hartmut Böhme, Schulleiter des Gymnasiums Obervieland. Er weiß, dass Kollegen die SchülerInnen mahnen, nichts aus dem Internet runterzuladen. Wie erfolgreich sie damit sind, weiß er freilich nicht. „Man darf aber auch den Zeitfaktor bei diesen Recherchen nicht unterschätzen“, sagt der Lehrer für Wirtschaftslehre, zugleich offensiver Internet-Fan. Schließlich liefert kein Schulbuch jemals so aktuelle volkswirtschaftliche Daten. Sein persönlicher Trick gegen den Schmu: „Literatur für Referate stelle ich selbst zusammen.“ Darüber hinaus gehende Internet-Recherche begrüßt er – wie auch sein Vegesacker Kollege. Der allerdings will zitierte Internet-Quellen per Ausdruck mitgeliefert bekommen – für die Internet-AnalphabetInnen unter den Kollegen.

„Klar sollen Schüler im Internet recherchieren“, sagt auch Anke Braunschweiger, stellvertretende Schulleiterin der Multi-Media-Schule am Leibnizplatz. Und natürlich gab's auch an ihrer Schule Versuche, Referate vom Netz abzukupfern. „Aber ein oder zwei Fragen, und man weiß Bescheid“, sagt sie ohne jede Aufregung. Schließlich geht's ums Lernen. Und wer bei Fragen nicht auffliegt – trotz Internet-Referat – hat doch offensichtlich gelernt. ede

*Name geändert