Ausweichen statt konkreter Antworten

Beim Stockholmer Forum gegen Intoleranz übt einzig UN-Generalsekretär Annan scharfe Kritik an EU-Flüchtlingspolitik

STOCKHOLM taz ■ Das Stockholmer „Forum gegen Intoleranz“ begann und endete mit einem düsteren Bild. Am Montag mit einem Film über das Anwachsen des Rechtsradikalismus in Schweden. Am Dienstag mit einem Foto des in Norwegen von Neonazis ermordeten Benjamin Hermansen. „Wir wollen diese tragische Seite unseres Alltags nicht verschleiern“, sagte Ministerpräsident Göran Persson zur Eröffnung, „Benjamin wurde wegen seiner Hautfarbe ermordet“, zum Abschluss.

Natürlich waren sich alle KonferenzteilnehmerInnen einig, dass dieser Rechtsextremismus und Neonazismus bekämpft werden muss. Doch das Thema dieser extremen Folgen von Intoleranz führte dazu, dass die RegierungsvertreterInnen unter den 450 Delegierten aus über 50 Ländern zu bequem davonkamen. Kein Wort darüber, dass Großbritannien und Finnland ihre Grenzen vor Roma dicht gemacht haben, die vor der rassistischen Gewalt in Tschechien fliehen. Kein Wort zu Deutschland, das sich ein Einwandererproblem mit großzügigen Zahlungen an Rumänien vom Hals hält.

Klare Worte blieben UN-Generalsekretär Kofi Annan überlassen. Über die Flüchtlingspolitik der EU, die Asylsuchende schon weit vor der eigenen Grenze zu stoppen versuche. Über dichte Grenzen, die der Flüchtlingskonvention widersprechen. Darüber, dass Widerstand gegen Fremde in der eigenen Bevölkerung keine Entschuldigung sei, das Völkerrecht zu verletzen.

Mit höflichem Beifall wurde Annans Kritik weggesteckt. Diese für „berechtigt“ erklären wollte nur Gastgeber Göran Persson. Er versprach, das Thema in der EU aufzugreifen. Konkreter wurde es dazu nicht. Wie überhaupt das einzig konkrete Resultat der Konferenz die Einrichtung einer internationalen JuristInnenkommission ist, die ein Netzwerk zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus bilden soll.

In den Workshops waren klarere Worte zu hören. So, wenn Gitta Sereny über den „inneren Rassismus“ sprach. Mit dem Menschen nicht zur Welt kommen, sondern der in ihnen erst in der Gesellschaft heranwächst. „Das“, so Sereny, „ist die gefährlichste Sorte Rassismus.“ Jeanine Cogan aus den USA nahm dies auf: Die meisten Hass-Verbrechen begingen „gewöhnliche“ Menschen. Das Dämonisieren des Rechtsextremismus lasse diesen Alltagsrassismus oft übersehen. Namentlich PolitikerInnen in Deutschland und Frankreich wurde vorgeworfen, den Kampf gegen rechte Gewalt vorwiegend als technisches Problem zu sehen und dabei auch noch demokratische Grundwerte zur Disposition zu stellen.

Das Ziel, zu konkreteren Handlungen zu kommen, erreichte auch das diesjährige Intoleranzforum nur ansatzweise. Bezeichnend war, dass unbequeme Minderheiten wieder keinen Raum bekamen. So erhielten Vertreter der Roma zwei Minuten Redezeit. Überdies wurde stundenlang über die Formulierung des Schlussdokuments diskutiert, weil im Entwurf das Wort „Homosexualität“ auftauchte. Um das Dokument nicht platzen zu lassen, wurde es gestrichen. Man verurteilt nunmehr Gewalt und Tod wegen „sexueller Neigung“. REINHARD WOLFF