Bärtig, böse und in voller Ledermontur

Im Februar: Das B-Movie widmet dem Kultfilmer Alejandro Jodorowski eine Retrospektive  ■ Von Tobias Nagl

Irgendwann in den frühen 70er-Jahren kam ein junger Cineast zu Alejandro Jodorowski, erinnert der sich in der Dokumentation La constellation Jodorowski, und fragte ihn, wie das denn nun funktioniere mit der Erleuchtung. Jodorowski begann zu erzählen, von der Selbstreinigung und den verschiedenen Bewusstseinsstufen – bis ihn der Fan unterbrach. Es müsse sich da um ein Missverständnis handeln: Nicht Er-, sondern Beleuchtungsfragen interessierten ihn. Und offensichtlich zählte sich der in Chile als Sohn russisch-jüdischer Migranten geborenene Regisseur zu den wenigen Vertretern seines Berufsstandes, für die beides in eins fällt.

Bescheiden ist an der ungezügelt-anarchischen Imagination des Kino-Mythikers wahrlich kaum etwas. „Vom Kino verlange ich, was Nordamerikaner durch psychedelische Drogen erreichen wollen“, gab er seinerzeit zu Protokoll. Den Erfolg seiner Filme in der nordamerikanischen Gegenkultur dürfte Jodorowskis zwischen Kunst und Kitsch, Sperma und Karma oszillierender Westentaschen-Surrealismus eher befördert haben: Monatelang lief sein alchimistischer Tarot-Western El topo vor ausverkauftem Haus in den New Yorker Off-Kinos. Ohne Werbung und von der Kritik unbeachtet – bis sich der Ex-Beatle John Lennon des Films annahm und ihn über das Apple-Imperium verleihen ließ.

Jodorowskis Filme sind noch heute das vielleicht verstörendste Echo aus einer Zeit, als Spaghetti-Western die Style-Vorlage für den lederverliebten Macho-Chic umherschweifender Haschrebellen abgaben, Jim Morrison als Traditionsverwalter eines Rimbaud oder Lautréamont auftrat und „freie Liebe“ dennoch an der korrekten Tolkien-Exegese zerbrechen konnte.

Ihren Platz in der Filmgeschichte finden sie irgendwo zwischen Barbarella und Moebius-Comics, Nicholas Roegs Performance und Flokati-Teppichen – und weil dort das Design mehr zählt als jeder noch so ärmliche Archetyp, lässt sich Jodorowski genauso der Vorgeschichte des Musik-Clips zuschlagen: Zu ihrem zwanzigsten Jubiläum wollten die Einstürzenden Neubauten den ehemaligen Theater-Regisseur und Happening-Künstler für ein Video engagieren; gescheitert ist das nur an dessen astronomischen Gagenforderungen.

Jodorowskis Filme sind „Trips“, die in der Tradition des artaudschen „Theaters der Grausamkeit“ stehen: Sie zielen auf den Körper des Zuschauers; ihre Erzählstruktur ist die einer Nummernrevue, ihre Logik eine der Überwältigung.

El topo (1970) beginnt, wie andere Western aufhören könnten: Wir sehen Jodorowski selbst mit seinem nackten Sohn Brontis auf dem Sozius durch die Wüste reiten. „Du bist sieben Jahre alt und nun ein Mann“, erklärt er ihm. Was dann folgt, ist eine männliche Selbstfindungs-odyssee, auf der ein durch Blut watender, ständig fickender Macho-Mystiker gegen vier Revolverhelden aus dem Kuriositätenkabinett der Jahrmarkts-Attraktionen antreten muss und am Ende als „Gaukler“ reinkarniert wird. Während der Dreharbeiten trug Jodorowski, erzählt er noch heute stolz, Seiden-shorts, die ein grüner Farbkreis am Anus zierte und die zwei Öffnungen aufwiesen: eine für die Eichel und eine für die Hoden. Jodorowski ist ein ausgemachter Peniskünstler.

Montanasacra (1970) schwelgt dagegen in graphischen Kulissen und pseudo-indischen Schriftzügen, wartet mit „psychedelic shotguns for Buddhists, Jews and Christians“ auf, um den Kampf gegen das „faschistische“ Establishment, „elektronische Orgasmen“ und Zen-Rätsel auf der Grundlage von fiepsenden Moog- und Sitar-Sounds kurzzuschließen. Ähnlich konfus, wenn auch katholischer, geht es 20 Jahre später in Jodorowskis im Zirkusmilieu spielenden Comeback Santa sangre (1989) zu: Wahnsinn, Gewalt, Inzest und ein bisschen Kastration sind dort die Instant-Transgression verheißenden Themen. Interessanter ist dann doch die absurde Fernando-Arrabal-Verfilmung Fando et Lis (1967). Bis vor kurzem galt der Film als verschollen, als er während der 68er-Unruhen in Mexiko uraufgeführt wurde, mussten der Regisseur und die Schauspieler vor dem aufgebrachten, konservativen Publikum fliehen.

Fando et Lis: 1., 3. + 4.2.; El topo: 8., 10. + 11.2.; Montana sacra: 15., 17. + 18.2.; Santa sangre: 22., 24. + 25.2., alle jeweils 20.30 Uhr; La constellation Jodorowski: 25.2., 18 Uhr