Die Invasion der hempmade Waren

Hanf kann mittlerweile so ziemlich in jedem Produkt stecken. Das macht aber nicht überall auch Sinn  ■ Von Matthias Fink

Wie gut, wenn in den verlockenden Süßwaren keine berüchtigten Schadstoffe sind! Die neuen „Swiss Cannabis Pastillen“ sind „sugarless, THC-free“. Dafür ist ein bißchen Vitamin C reingemixt. Mit ähnlich exotischen Reizen prangt im HanfHaus“ eine Vollmilchschokolade, die statt Nuß oder Mandelsplitter Hanfsamen enthält. Die Körner sind recht hart, so daß es beim Kauen knirscht. Ein besonderer Vorteil: Mit 3 Mark 95 ist die Tafel nicht so billig, daß man sich damit vollfressen würde. Alle Bestandteile dieser Schokolade stammen aus kontrolliert-biologischem Anbau.

Der Markt der Lebensmittel habe sich für die Hanfbranche in letzter Zeit „weit geöffnet“, berichtet Matthias Schillo, Geschäftsführer der Treuhanf, zu der verschiedene Betriebe der berlin- brandenburgischen Hanfbranche gehören. Die Verarbeitungstechniken etwa seien besser geworden. „Wir können jetzt die Körner von der Schale trennen.“ So könne man jetzt auch Schokolade machen, die Prothesenträger nicht so ärgert. Auch Öl gebe es jetzt in ausreichender Menge, Grundlage für verschiedene Produkte. Treuhanf hat auch eine neue Backmischung entwickelt, die bald auf den Markt kommen soll. Sie eignet sich vor allem zum Brotbacken. „Es gibt aber bestimmt Spezialisten, die auch einen Kuchen daraus machen können“, so Schillo. Die Mischung ist etwas dunkler als die Massenware.

Einen ähnlichen Helligkeitsunterschied gibt es auch bei den Nudeln, die schon heute im HanfHaus angeboten werden. 4 Mark 50 kostet ein halbes Pfund. Auch das Schnitzerbrot, bei Gesundheitsbewußten lange bekannt, gibt es mit Hanfkörnern, dazu als weitere Getreide Hafer, Roggen und Kamut, eine Urweizensorte. Demnächst wird man sogar Hanfbutter darauf streichen können, kündigt Matthias Bröckers, Gründer des HanfHauses an. Sie soll aus Litauen importiert werden. „Die ist ein klassisches Nahrungsmittel und wird dort schon seit langem auf den Märkten verkauft.“ Die aus den Hanfsamen gestampfte Masse, „eine extrem nährstoffreiche Angelegenheit“, lasse sich auch solo, ohne Buttermischung, aufs Brot streichen.

In der etablierten Naturkostbranche sieht man Hanf als ein „recht exotisches Produkt“. „Es gibt keine Zahlen, aber ich glaube, es handelt sich um kein Produkt, das im Naturkostbereich gewaltig geboomt hätte“, sagt Pressesprecherin Marita Odia von den Bundesverbänden Naturkost-Naturwaren. Es gebe halt gewisse Moden im Bereich der Lebensmittel und Kosmetik. „Vor ein paar Jahren war Teebaumöl im Kosmetikbereich ganz populär. So könnte man auch Hanf einordnen.“ Berührungsängste gegenüber dem lange verbotenen Hanf habe die Branche jedenfalls nicht. „Es gliedert sich ein, aber ist auch nicht mehr.“

Nicht alle Teile der Hanfbranche können mit immer neuen Produkten aufwarten. Im Textilbereich etwa wird vor allem das vorhandene Angebot verfeinert. Matthias Schillo sieht hier in den letzten Jahren eine „unglaubliche Entwicklung. Die Garne werden immer feiner, aber das sieht eher der Fachmann.“ Bisher wird oftmals noch eine andere Faser beigemischt. Vor allem ist Seide beliebt, weil sie den harten Hanfstoff weicher macht.

Ästhetik steht mitunter im Konflikt zu ökologischer Reinheit. Hanfhosen etwa kommen bislang noch nicht ganz auf der ökologischen Schiene zurecht. Reine Pflanzenfarben sind bei Schwarz- Tönen nicht drin. Sonst wäre womöglich nach fünfmal Waschen die Farbe raus, die Kunden würden in hellgrau gewordenen Hosen herumlaufen und um das HanfHaus am Heinrichplatz einen großen Bogen machen. Bei allen Produkten wird aber der Öko-Tex-Standard 100 eingehalten, Schwermetalle und Azo-Farben sind also tabu. Wenn jemand von Anfang an Grau verlangt, ist das natürlich um so schadstoffärmer. Ungefärbtes ist auch im Angebot – Steingrau. „Das kommt auch gut an bei älteren Herrschaften“, erzählt Verkäuferin Ruth Kürmann.

„Wo 100 Prozent Hanf draufsteht, sind auch 100 Prozent Hanf drin“, weiß Jutta Hertlein, die für die Stiftung Warentest Hanf-Jeans untersucht hat. „Verstöße kommen generell nur ganz selten vor.“ Welche Farbstoffe verwendet wurden, steht auf einem anderen Blatt, also muß man sich auch extra danach erkundigen.

Ganz konsequente Cannabis- Fans lassen auch im Fall des Falles nur Spezialitäten an ihren Stoff. Von Sativa, der neuen Waschmittelmarke, die das Berliner Forscher-Ehepaar Olschewski entwickelt hat, gibt es jetzt ein Fleckenspray auf Hanfbasis. Es eignet sich für Textilien aus Baumwolle, Kunstfaser und natürlich auch Hanf. Flecken durch Obst, Gras und Kugelschreiber kann man damit herauskriegen. Mit Gras ist natürlich frisches, grünes von der Wiese gemeint, und mit dem Kugelschreiber schreibt der stofftreue Kunde sicher in ein Skizzenbuch, dessen Einband ganz aus Hanffaser ist. Die Seiten indessen sind aus Papier, dem außer – na was wohl? – auch Altpapier beigemischt wurde.

Und jetzt wird sich das HanfHaus auch mit der Vermarktung der neuen Hits der Branche kümmern, etwa Dämmaterialien für den Hausbau. „Die Hanffabrik in Zehdenick kann Hanfstoffe jetzt nach Wunsch fertigen“, sagt Schillo. Durch den Abfluß im Bad laufen dann Hanf-Shampoo und -Duschgel. Und wer gern ausgeht, kann ganz neue Genüsse bald am Prenzl'berger Pfefferberg erleben. Unter den Arkaden an der Schönhauser Allee werden im Herbst zwei gastronomische Betriebe eröffnet, wo Hanfspeisen gereicht werden. Ein Imbiß des Hanfbäckers Yusuf Tas und ein Club-Restaurant, wo, so Schillo, „jede Woche neue Sachen“ auf der Speisekarte stehen werden.