Kein Sushi-Schmalzbrot-Zentrum

■ „atmen – jetzt“: Koreanische und deutsche Installationen und Videos in der Speicherstadt

Kulturell stark von China geprägt, gibt es in Korea eine buddhistische und konfuzianische Tradition; daneben hat das Land inzwischen den höchsten Anteil von Christen in Asien. Doch das Volk hat niemals die uralten Schamanentechniken vergessen. Mit magischer Aufladung jedoch schmücken sich bei der atmen – jetzt-Ausstellung im Rahmen der Hamburger Korea Tage eher deutsche Arbeiten – so die rostfarbenen Hausobjekte von Marianne Hasselbring oder die Installation „Herz in der Cella“von Bibi Gündisch – während das Zirpen aus den Lautsprecherbäumen von Suk Yun Yang daran erinnert, daß die koreanische Kunst im weltbekannten Fluxus- und Medienkünstler Nam June Paik ihr gerne zitiertes großes Vorbild hat.

In einem scheinen sich die 14 koreanischen und 10 deutschen Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung in der Speicherstadt einig: Ein zweifelsfreies Zentrum ist nirgends mehr zu finden. Wenn Claudia Liekam den „Nabel der Welt“zeigt, ist das keine buddhistische Meditation mehr, denn zehn verschiedene Monitore geben hier zehn verschiedene Richtungen für die Mitte an. Und gleich nebenan kratzt eine Maschine von Sangho Lee in ebenso trotziger Behauptung wie traurig perpetuierter Sinnlosigkeit die Buchstaben I,C,H in eine mannshohe Metallplatte.

Identität scheint im globalen Diskurs nur noch ein Hauch und doch so wichtig zum Leben wie das Atmen. Hilft da angesichts virtuellen Datentransfers ein materieller Verweis auf die Erde und ihre Elemente? Ganz direkt erinnert Jai Mun Kim mit seinen Schlickziegeln daran, wie Erde zu Architektur wird. Mit Glaszylindern voller Gartenerde, Kupfersul-fat und Schwefel, in denen sich über vier Jahre eine neue Flora entwickelt hat, vermittelt die Kielerin Ursula Baldrich Gefährdung und Hoffnung zugleich.

Doch es ist schwer, neue Verbindlichkeiten zu erzwingen. Das zeigte auch die Tanz-Performance von Regina Pretinha Faulk bei der Eröffnung am Donnerstag: Ihr von allen afrikanischen und asiatischen Kultformen abstrahierter, selbstentwickelter Feuer-, Rauch- und Wasserritus blieb unverbindlich im vagen kulturellen Dazwischen. Den Leerlauf ständigen Grenzüberschreitens führt Elke Suhr mit ihrem Videobild des festlich begrabenen Autos und der im Kreis sich totlaufenden Modellokomotive vor.

Reisende zwischen den kulturellen Welten entdecken neue Räume und tragen doch ihre Lasten mit sich: Dong-Jo Yoo nennt seine Gruppierungen schwarzer, kantiger Rucksäcke „Wo die Angst wohnt“, während in der großen, fünfschichtigen, schwarzen Box von Yoon-Gyoon Oh eine in den Raum erweiterte Kalligraphie mit lateinischen Buchstaben verborgen ist. Aus hellerem R und M, dunklerem A und U und zwei aufblitzenden „E“s entsteht für die Betrachter ein Raum aus seinem Bezeichnungswort.

Korea und Hamburg mögen sich ziemlich fremd sein, doch als das exotische Buffet zwischen Sushi und Schmalzbrot gegessen und die Trachtenträgerinnen gegangen sind, wird deutlich, daß die zeitgenössische Kunst eine eher internationale Sprache spricht.

Hajo Schiff

Zweisprachige CD-ROM als Ausstellungskatalog. Alter Wandrahm, Block W, Aufgang 1a, Boden III-V (Speicherstadt), Di – So 12 –18 Uhr, bis 17. Oktober. Im gleichen Speicher auf Boden VI koreanische Plakatkunst. „atmen – jetzt“hat einen zweiten Teil in Norderstedt: Rohling, Rathausallee 50, So – Do 11 – 18 Uhr, nur bis 25. September