Schubfach für Stöckelschuhe

Frauen werden als Kundschaft für die Autoindustrie immer wichtiger. Runde Scheinwerfer und Schminkspiegel sollen sie anlocken  ■ Aus Frankfurt Annette Jensen

Weiße Stoffbeutel hängen schlaff vorm Steuer. Das orangefarbene Auto ist vorne völlig zerbeult – mit 65 Stundenkilometern auf eine deformierbare Barriere geknallt, steht auf einer Erklärtafel. Die aber kann kaum jemand lesen. Zu viele Männer und ein paar Frauen drängen die Rolltreppe herauf und sickern nur langsam durch den mehrstöckigen Mercedes-Messepalast zurück nach unten. Die alte Halle mit der Kuppel ist einer der Publikumsmagneten auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt.

Unterm Dach zeigt der Edelkarossen-Hersteller aus Stuttgart die A-Klasse. Nur 3,57 Meter lang sind die Mobile, die ab Oktober auf deutschen Straßen rollen sollen. „30 Prozent der Bestellungen kommen von Frauen“, berichtet Bernd Löper, der von sich sagt, andere würden ihn als Vater der A-Klasse bezeichnen. Die Kürze des Fahrzeugs erleichtere das Einparken, außerdem gebe es zahlreiche frauenfreundliche Details, erläutert der Entwicklungsingenieur. Der Verstellhebel für die Rückenlehne ist so konstruiert, „daß die Fingernägel nicht abbrechen“, und unterm Fahrersitz gibt es eine Schublade für die Stöckelschuhe.

An der Entwicklung waren 20 Prozent Frauen beteiligt – revolutionär viel in einem Betrieb, in dem sonst weniger als ein Prozent der Konstruktionsbretter in weiblicher Hand sind. Sogar ein ausschließlich von Frauen entworfenes „Ladycar“ habe es gegeben, berichtet Rainer Justen, der selbst seit Jahren an der A-Klasse werkelt. „Wesentlich Neues ist den Frauen aber auch nicht eingefallen“, glaubt er.

Mercedes, dessen Kundschaft traditionell zu über 90 Prozent männlich ist, stellt sich auf neue Zeiten ein. Denn während deutsche Männer im autofähigen Alter inzwischen fast vollständig motorisiert sind, gelten Frauen als Zuwachsmarkt. Bis zum Jahr 2010 werden sie knapp vier bis fünf Millionen zusätzliche Autos anmelden, prognostiziert eine gerade veröffentlichte Shell-Studie. Die Männer dagegen werden überwiegend nur ihre alten Blechkisten gegen neue eintauschen und höchsten zwei Millionen Wagen mehr als bisher registrieren lassen.

Melina Aleckovic arbeitet seit fünf Jahren als Mercedeshändlerin in Stuttgart. Jetzt steht sie neben einem Monitor, auf dem ununterbrochen Wagen gegen eine Wand knallen. „Die A-Klasse wird ein Frauenauto“, meint auch sie. „Frauen achten beim Autokauf vor allem auf Sicherheit. Und sie gehen mit Herz an die Sache ran“, hat die junge Händlerin beobachtet. Außerdem seien Optik und Funktionalität für Frauen zentral. „Männer wollen alle möglichen technischen Details wissen, vor allem wenn sie es mit einer Verkäuferin zu tun haben.“

Vor den Fahrertüren der drei rundlichen Wagen haben sich Trauben gebildet. Es sind fast ausschließlich Männer, die sich einmal hinters Steuer schwingen möchten. „Das soll der Golftöter sein“, spottet dagegen ein eilig vorbeidrängender Besucher und stellt sich ans Geländer, um die weiter unten stehenden Limousinen fotografieren zu können.

Bei Opel tummeln sich Hostessen in grüngelben Kostümen hinter einem Holztresen. An einer Glaswand sind die Visitenkarten möglicher Ansprechpartner angeklemmt – kein weiblicher Name dabei. „Es ist Unsinn, andere Autos für Frauen zu bauen. Wir sind gegen eine konventionelle Rollenverteilung“, sagt Andreas Kroemer, der im Rüsselsheimer Konzern für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Der Corsa, das billigste Auto aus dem Hause Opel, werde schon heute von mehr Frauen als Männern gekauft.

Toyota-Marketingfachmann Wolf-Henning Fanslau ist dagegen durchaus der Meinung, daß die weibliche Kundschaft spezielle Bedürfnisse habe. Doch das zu vermitteln fällt ihm schwer – zu laut ist die Musik. Ein paar Tänzerinnen im Minirock hüpfen zusammen mit Jogginganzugmännern zwischen bunten Toyota-Kleinwagen herum. „Frauen wollen übersichtliche Autos, sie sind praktisch orientiert. Männer fühlen sich in niedrigen Modellen geborgener. Und für sie ist ein Auto nach wie vor eine Prestigefrage!“ ruft Fanslau.

Dennoch bezeichnet er das alte, männliche Image von Toyota als „rational“ – große Autos mit eckigen Lampen und grauen Lacken. Der neue Trend dagegen sei „jünger, europäischer, emotionaler, weiblicher“. Deshalb habe Toyota die Verantwortung für Innenraum und Farbdesign in Europa auch einer Frau übertragen. Und in kleinen und sportlichen Wagen gibt es inzwischen auch Schminkspiegel auf der Steuerseite. Bei den Mittelklassewagen dagegen habe man darauf verzichtet: „Das sind eben nach wie vor Papa-Autos.“