Der Folk steht ihr gut

■ Angenehm unpunkig: Ani DiFranco bespielte das „Moments“

Wenn von Ani DiFranco die Rede ist, ist immer auch von Punk die Rede. Schließlich hat die 26jährige US-Amerikanerin mit ihrem eigenen Label „Righteous Babe Records“der Plattenindustrie ein Schnippchen geschlagen, haut gern mal etwas kräftiger in die Saiten, dreht sich lustige Frisuren ins Haar, ist tätowiert und gepiercet. Wahrscheinlich aber beruft man sich in erster Linie so vehement auf ihre Punk-Wurzeln, weil die Begriffe Folk und Singer/Songwriter einen so uncoolen Nachhall haben. Dabei bewies DiFranco am Montag im „Moments“zweierlei: Erstens sind genau das die Begriffe, die sie am treffendsten charakterisieren, und zweitens muß man sich auch als New Yorkerin unter 30 dafür nicht schämen.

Das erste Set wurde dominiert von leisen Tönen, bei denen sich DiFrancos beiden Mitmusiker an Baß und Schlagzeug in Zurückhaltung übten. Ähnlich die Frontfrau selbst.

Sie baute gerade durch Auslassungen Atmosphäre auf. Ihre Songs hatten etwas gewollt Fragmentarisches, als müsse die Komponistin und Interpretin sie jedesmal aufs neue beim Spielen erarbeiten und erfahren. Die Töne, die sie nicht spielte und dennoch ahnen ließ, schienen mindestens ebenso wichtig wie die gespielten. Dazu hauchte sie ihre Texte oft mehr als daß sie sie sang, was allerdings nie in bloßem Flüstern verebbte. In leisen wie lauteren Momenten behielt ihre Stimme stets ein erstaunliches Volumen.

Noch immer nicht mal entfernt punkig, aber handfester und energischer ging es nach der ebenfalls extrem unpunkigen Zigarettenpause im zweiten Set weiter. Die Songs waren straffer strukturiert, involvierten Baß und Schlagzeug stärker.

Die drei MusikerInnen schmolzen akustisch zusammen und klangen erstmals nach einer Band statt einer Solokünstlerin mit Begleitung. DiFranco blieb trotzdem der Star. Mit plötzlichen Temperamentausbrüchen in ruhigen Songs und erstaunlich flinken Gitarrenläufen sorgte sie für Aha-Momente. Angenehmerweise wurde diese Virtuosität geschickt dosiert und war niemals selbstverliebte Leistungsschau.

Das Bremer Publikum wußte all das begeistert jubelnd zu würdigen. Derart geliebt wird Ani DiFranco jedoch nicht überall auf der Welt, wie sie in einer Tour-Anekdote zu erzählen wußte. Zwei Tage zuvor habe sie in Lissabon zwischen zwei Death Metal-Bands eine Rock-Arena bespielen müssen, und die Metalheads waren nicht amüsiert. „Sie haben mich gehaßt!“Nur ein etwas flotterer Titel wurde dort mit dem Schütteln von Mähnen und Ausstoßen von Lauten gewürdigt. Aber: „Andererseits ist mein Portugiesisch nicht so gut. Vielleicht haben sie auch 'Fuck off! Fuck off!' gerufen.“ Andreas Neuenkirchen