Problemhansel und Aufbauhelfer

■ Ernst Kahl und Hardy Kayser musizieren, zeigen Lieblingsdias und Familienfilme im Abaton

Mit seinem Bildband Bestiarium Perversum wurde er berühmt: überfahrene Katzen, vampiristische Kaninchen, nacktschwänzige Nager als Fetische, ferner die lustigsten Mißbildungen, die blutrünstigsten Mädchen und die originellsten Selbstmörder. Ernst Kahls Kabinett niedlich-entsetzlicher Figuren.

Ernst Kahl, ihm wahren Leben Kettenraucher und Milchtrinker, kommt jetzt selbst. Er wird heute abend die Bühne des Abaton-Kinos besteigen, das Mikrofon in die Hand nehmen und singen: „Verlier nicht den Kopf und fürchte dich nicht, sieh' doch, im Kühlschrank, da brennt noch Licht!“(auch als CD im Handel). Der Begriff „singen“trifft hier die Sache nicht ganz, denn Ernst Kahl haucht seine Verse eher dahin, einschmeichelnd sanft und mit leicht priesterlichem Timbre. Dazu spielt kongenial die „Gitarre des Nordens“, Hardy Kayser.

Aber das ist noch nicht alles: Kahl zeigt außerdem heute abend noch seine schönsten Dias, trägt Gedichte vor, erzählt aus seinem Leben und hofft, daß ihn das Publikum mit interessanten Zwischenrufen antörnt. „Einmal, in Berlin, war das so, da kamen 500 gutgelaunte Leute. Das wurde 'ne klasse Show. Da hab' ich mich hinterher mit Hardy in den Zug gesetzt – 1. Klasse –, und dann haben wir uns 'ne Flasche Sekt bestellt. In Göttingen ein anderes Mal: das totale Desaster. Da kamen acht, und nach dem ersten Lied gingen drei. Da mußt du ganz, ganz stark sein, um das zu überleben.“

Aber Hamburg wird kein De-saster. Hamburg ist Heimspiel für Ernst Kahl. Und wenn das Publikum von Kahl als Entertainer genug hat, zeigt das Abaton noch Kahl als Filmemacher. Es wird ein wahrer Kahl-Gedächtnisabend. Da sind Kahls Kurzfilme: „Archie kostete mich zwei Blatt Papier und ein bißchen Bleistiftmine.“Der Lober, das sind Ernst Kahl und Detlef Buck im schauspielerischen Duett. Der eine gibt den Problemhansel, der andere den Aufbauhelfer. Kahls Filmphilosophie: Was wäre unser Leben doch schön, wenn einfach mehr gelobt würde. Everybody glad zeigt, was passiert, wenn 40 Jahre lang ungevögelte Touristen in drei Wochen Trinidad alles nachholen wollen.

Kahl ist schon lange dick im Filmgeschäft, arbeitet mit Bernd Eichinger, Detlef Buck und Wigald Boning. Wir können auch anders ist denn auch einer der weiteren Programmpunkte des Kahl-Abends im Abaton. Die nächste neue Komödie aus der Feder Ernst Kahls, ein Film von Wigald Boning, ist in ein paar Tagen in den Kinos zu sehen: Die drei Mädels von der Tankstelle.

Und? „'Ne Message, die gibt's bei keiner meiner Arbeiten“, sagt Kahl, „höchstens, wie absurd das Banale werden kann, wenn man's so sieht wie ich.“

Brigitte Neumann

Ernst Kahl und Kayser: heute, 20 Uhr; „Wir können auch anders“, heute, 22.15 Uhr, So, 15.6., 13.30 Uhr, Abaton