Das Portrait
: Unbequemer Mitteleuropäer

■ György Konrad

Neuer Akademiepräsident: György Konrád Foto: Sepp Spiegl

Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller Ungarns. Sein erster Roman „Der Besucher“ erschien 1969 und machte ihn schlagartig bekannt. Als Theoretiker sorgte er mit einer Studie über „Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht“ für Aufregung – eine Schrift, die ihm 1973 zunächst eine Woche Gefängnis einbrachte und dann das Angebot der Partei, Ungarn ins westliche Ausland verlassen zu dürfen. Konrád blieb – und wurde bis 1988 mit einem Publikationsverbot belegt. Er galt als Symbolfigur der demokratischen Opposition und war mit seinen Ideen von einem vielfältigen, zusammengehörigen Mitteleuropa richtungweisend – auch wenn er mit seinen Essays und der Hoffnung auf einen friedlichen Weg aus dem Sozialismus zunächst zwischen allen Stühlen saß. Schon frühzeitig vertrat er beispielsweise die Ansicht, daß eine Befreiung Osteuropas ohne deutsche Wiedervereinigung unmöglich sei.

1933 als Sohn jüdischer Eltern in Debrecen, nahe der rumänischen Grenze geboren, entgingen er und seine Familie nur knapp der Ermordung durch die Nazis. Die Eltern überlebten die Deportation nach Auschwitz, er und seine Schwester versteckten sich bei Verwandten in Budapest. Nach dem Krieg zweifelte er nicht an der Notwendigkeit des Sozialismus: Nur so sei ein neues Auschwitz zu verhindern. Doch 1956, er hatte das Studium in Soziologie und Literatur gerade beendet, verteidigte er als Mitglied der Nationalgarde die Universität gegen die russischen Truppen.

Auch nach dem Niedergang des Sozialismus blieb er unbequem und politisch aktiv. Um die zögerliche Demokratisierung zu stärken, gründete er 1991 die „Demokratische Charta“, eine Bürgerbewegung der zivilen Gesellschaft, die viele tausend Unterstützer fand. Sie stellte die größte Demonstration in Budapest nach 1989 auf die Beine. Von 1990 bis 1993 war Konrád Präsident des Internationalen PEN, 1991 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Der taz sagte er damals in einem Interview: „Man hat lange Zeit für die Anerkennung individueller Menschenrechte gekämpft, jetzt müssen die kollektiven Menschenrechte gesichert werden.“

Wie kein zweiter scheint Konrád geeignet, den von Zerwürfnissen und Austritten begleiteten Zusammenschluß der Akademien West und Ost nun tatsächlich zu bewältigen. Jörg Magenau

Siehe Bericht Seite 17