■ TV-Konzentrationsbeschränkungen werden abgeschafft
: Freie Infobahn den Mächtigen

Seit diesem Wochenende wissen wir: In der Medienpolitik herrscht die große Koalition. Der Achse zwischen Bertelsmann-Westfalen und dem Freikirchstaat Bayern hatten am Schluß diejenigen in der SPD nicht mehr viel entgegenzusetzen, die die Expansion der beiden großen Medienkonzerne überhaupt noch wirksam beschränken wollten. Im künftigen Rundfunkstaatsvertrag wird es nur noch eine symbolische Hürde geben: bei 30 Prozent Anteil am Fernsehmarkt wird eine „vorherrschende Meinungsmacht vermutet“. Wird es mehr, dann sind ein (de facto machtloser) Programmbeirat oder andere „vielfaltsichernde Maßnahmen“ vorgesehen.

Zwar gab es unter den SPD-Ländern durchaus eine Mehrheit, die lieber die Meinungsvielfalt als das Wachstum der zwei Giganten gefördert hätte. Doch auch sie konnten die zentrale Frage nicht beantworten: Wer sonst außer diesen beiden sollte das Kapital für den kommenden Multimediamarkt aufbringen? Die deutschen Zeitungsverleger haben schmerzvoll erfahren, daß ihr Fernsehengagement nur den Großen Gewinne, ihnen aber Verluste beschert. Neben den US-Konzernen von Murdoch bis Disney bleiben da also nur Außenseiter wie Stefan Austs Spiegel-Ableger. Und so zogen sich die Kritiker immer weiter zurück. Erreicht haben sie nur, daß jetzt die Pressemacht von Kirch/Springer und Bertelsmann mit berücksichtigt werden soll (nur wie?) und daß RTL und Sat.1 ein paar Stunden „unabhängige Fensterprogramme“ pro Woche aufgedrückt werden.

In wenigen Jahren werden wir das Ergebnis sehen: Ein Wachstum von Bertelsmann und Kirch über die 30 Prozent hinaus wird ARD und ZDF weiter schrumpfen lassen. Marktanteile sind schließlich ein Nullsummenspiel. Schon in den letzten drei Jahren ging die Gründung aller neuen privater Kanäle auf Kosten ihrer Einschaltquoten. Am 31. Dezember 2000 läuft die Bestandsgarantie der Ministerpräsidenten für das ARD-System aus. Dann wird sich zeigen, wie sich die Öffentlich-Rechtlichen gegen die Offensive der Privaten gewehrt haben. Vielleicht so wie in Frankreich? Da konnte das staatliche Fernsehen dem privaten Marktführer sogar noch ein paar Prozente abjagen. Allerdings um den Preis, daß sein Programm von diesem kaum noch zu unterscheiden ist. Michael Rediske