"Ist das hier Klein-Chicago?""

■ Kampnagel-Dramaturg Michael Batz antwortet auf die Vorwürfe von Norbert Aust

taz: Tivoli-Gesellschafter Norbert Aust hat in seiner Kritik der Hamburger Subventionspolitik (siehe Interview gestrige taz) auch Kampnagel vorgeworfen, man würde auf Kosten des Schmidt die eigentliche Aufgabe verfehlen.

Michael Batz: Kampnagel ist das absolut falsche Objekt, eine Diskussion über die Umstrukturierung von Subventionen zu beginnen. Kampnagel ist der kreative Ort in Hamburg. Und es ist doch sehr erstaunlich zu hören, wenn der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Trägervereins Kampnagel immer noch meint, daß Kampnagel nichts anderes sei, als ein Ausbildungscamp für Nachwuchs.

taz: Wie steht es mit der Kritik, das „subventionierte“ Summertime-Festival würde in Schmidt-Gefilden grasen?

Batz: Das ist hirnrissig. Das mit 20.000 Mark auf die Beine zu stellen, das soll mir ein Herr Schmidt mal zeigen. Der Erfolg von Summertime zeigt ja, wie nebensächlich es ist, zu sagen: Nur im Schmidt darf soetwas stattfinden. Wo sind wir denn? Das ist ja totalitär, das ist Klein-Chicago. Ich hab hier meinen Bezirk und wenn Du in meine Spielhöllen reinpfuscht, knall ich dich ab, oder was? Ich bin durchaus der Meinung, daß wir die Diskussion über die Struktur hier in Hamburg führen sollten, aber nicht so, daß die Wadenbeißerei bei den Kleinen losgeht. Gerade wenn ich mich erinnere, was Aust zu Kampnagel-Zeiten an Argumenten losgelassen hat, also ein Gummibaum ist nichts dagegen.

taz: Aust sagt, die meisten Künstler bei Summertime seien im Schmidt großgeworden.

Batz: Man muß bitteschön bei all seinen Behauptungen auch ein bißchen Gedächtnis haben. Kampnagel hat eine zehnjährige Geschichte und die ganze Kabarett-Szene ist lange vor Schmidt-Zeiten hier aufgetreten. Außerdem können Kabarettisten allein vom Schmidt nicht leben.

taz: Das Schmidt hat in diesen Wochen Flaute gehabt.

Batz: Das hängt ja vielleicht auch mit dem Programm zusammen.

taz: Mißbilligst du den gesamten Ansatz von Austs Kritik?

Batz: Ich sagte ja bereits, daß Kampnagel der lebende Beweis dafür ist, daß vieles im Argen liegt. Die Kunst, die uns vorschwebt, geht nicht mehr mit Apparaten. Aufgrund dieser Behauptung ist Kampnagel überhaupt entstanden. Auch die Kommunen beginnen ja hier mit dem Umdenken. Insofern kann man einen vernünftigen Dialog auch mit Norbert Aust und der Politik führen. Aber ein Ort, der der Erlebnisgastronomie gewidmet ist, kann nicht einfach verglichen werden mit einem Ort, der sich mit innovativer Kunst befaßt.

taz: Die Moskauer Nächte sind keine Erlebnisgastronomie.

Batz: Das ist eine neue Weichenstellung. Da gibt es für mich kein Problem, zu sagen, daß soetwas einer öffentlichen Förderung bedarf. Aber gerade wenn der Kunstanspruch jetzt auch ins Schmidt einkehrt, dann sollte man einen gewissen Unterhaltungsanspruch nicht den anderen Häusern vorenthalten. Man sollte die Welt nicht in Experimentelles und Unterhaltung aufteilen, das fände ich dann doch sehr, sehr kleinkariert und kontraproduktiv.

Fragen: Werner Hinzpeter