„Wir erwarten Umstrukturierung!“

■ Norbert Aust, Gesellschafter des „Tivoli“, über Ungerechtigkeiten bei Theatersubventionen

taz : Das Schmidt-Theater ist vor fünf Jahren mit dem Anspruch angetreten, ohne Subventionen zu arbeiten. Jetzt erheben Sie Ansprüche an eine neue Subventionspolitik, die auch das Schmidt/Tivoli bedenkt. Warum ist Ihnen die Subventionspolitik der Stadt nicht mehr völlig egal ?

Norbert Aust: Diese Idee trägt nur so lange, wie wir auch wettbewerbsfähig bleiben und nicht durch Häuser aus dem Markt gedrängt werden, die eine übermäßige Finanzkraft haben.

taz : Und das ist jetzt passiert?

Aust: Das droht zu passieren, weil der Staat seine Theater auf den Weg schiebt, sich durch Stücke wie „West Side Story“ im Schauspielhaus oder das vom geschätzten Intendanten Flimm fürs Thalia-Theater vorgeschlagene „My Fair Lady“ refinanzieren zu müssen.

taz :Was stört die Privattheater an dieser Konkurrenz?

Aust: Die Riesenbudgets im Hintergrund. Man kann nicht jährlich 30 bis 40 Millionen Mark Subventionen kassieren und trotzdem auf dem Felde der Unterhaltung grasen. Da müssen wir verlieren. Denn bei uns gilt es, ohne Zuschuß zu überleben. Konsequent wäre, zu sagen, wenn ein staatliches Theater mit seinem riesigen Apparat „My Fair Lady“ macht, muß es für diese Zeit auch auf Subventionen verzichten. Das wären beim Thalia-Theater über zwei Millionen Mark, das könnte es niemals.

taz : Sie wollen Unterhaltung aus der Förderung heraushalten?

Aust: Das hat jedenfalls mit originärer Theaterkunst, die Neues schaffen soll, wenig zu tun, denn es sind längst etablierte Stücke, die wieder und wieder nahezu unverändert zwischen Flens- und Freiburg laufen und sicher keinen Anspruch mehr auf „neue Sichtweisen“ oder „gesellschaftliche Impulse“ erheben können. Die Aufgabe öffentlicher Förderung ist es doch, Kunst und deren Weiterentwicklung zu finanzieren und Ausbildung für Theaterkunst zu machen. Weil aber der Staat von seinen Theatern verlangt hat, sich refinanzieren zu müssen, sind sachfremde Kriterien entstanden. Plötzlich wird Staatstheaterqualität allein an Zuschauerzahlen gemessen. Für Unterhaltung vor vollem Hause aber braucht man keine Unterstützung.

taz: Fußt darauf Corny Littmanns Kritik am Summertime-Festival auf Kampnagel?

Aust: Auf Kampnagel sollten junge Leute gegen ordentliche Bezahlung produzieren und Neues entwickeln können. So, daß die Privattheater sagen: Mensch, was gibt es auf Kampnagel für neue Kräfte. Die holen wir uns ins Theater. Aber es ist in der Tat umgekehrt. Das Summertime-Festival hat sich bei insgesamt fünf Millionen Mark öffentlicher Förderung an Künstlern bedient, die im Schmidt groß geworden sind. Damit wird das Risiko auf uns verlagert und werden bei uns natürlich auch Zuschauer abgezogen. Das ist, als wenn ein Privatunternehmen Forschungsergebnisse erzielte und diese von der Universität verkauft würden.

taz : Was folgt daraus für Häuser wie das Schmidt?

Aust: Dann müssen wir entweder sagen, das wars dann, oder aber den Anspruch erheben, in derselben Weise finanziert zu werden, wie die anderen auch. Das wäre für gleiche Wettbewerbsbedingungen nötig.

taz : Wo bleibt die „Selbstkritik“?

Aust: Das Tivoli hat einen Auslastungsgrad, von dem alle träumen. Auch im Schmidt ist er übers Jahr gesehen ganz gut. Aber wir arbeiten am Rande der Selbstausbeutung.

taz: Was sollte nun passieren?

Aust: Es ist nicht damit getan, zu sagen, wir wollen mehr Geld. Wir erwarten, daß man dran geht, eine Umstrukturierung zu machen und die Finanzierung von Theater und Kunst neu zu überdenken. Die Kultursenatorin ist mit einem Förderungsplan für private Theater gescheitert, weil er ein bißchen mehr Geld gekostet hätte. Es kann aber nicht angehen, daß die einen Geld bekommen und die anderen nicht. Und wenn, dann muß es dafür wie für jede andere Geldausgabe des Staates rechtlich nachprüfbare Kriterien geben. Wieso kriegt z.B. das Ernst-Deutsch-Theater Geld und das Winterhuder Fährhaus nicht? Ich bin sicher, dieses System würde einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Fragen: Werner Hinzpetzer