Kein Zuckerschlecken

■ Knuth Koch las im Männerschwarm aus seiner ungewöhnlichen Autobiographie

Er sieht nicht aus wie das Klischee von einem Callboy. Grauhaarig saß Knuth Koch am Mittwoch abend im Buchladen „Männerschwarm“, trug eine bequeme Jeans, Sweatshirt und Polohemd. Dabei las er aus seiner Autobiographie Barfuß als Prinz, die seinen außergewöhnlichen Lebensweg beschreibt. Denn wer würde schon eine glänzende Schauspielkarriere an Häusern wie dem Thalia-Theater oder dem Wiener Burgtheater aufgeben, um Callboy zu werden?Koch hat genau dies getan. Nach der Schauspielschule spielte er unter Peter Zadek und Boy Gobert, stand über hundert mal mit Heinz Rühmann auf der Bühne, inszenierte selbst Stücke. Dann kam seine sexuelle Befreiung, die ihn fast gradlinig in ein sado-masochistisches Studio führte.

So unbefangen wie er schreibt, liest er auch. Mitunter kann er sich sogar ein amüsiertes Lachen nicht verkneifen, während er von seinen nächtlichen Flitzertouren um den Häuserblock erzählt oder von der Nacht in einer New Yorker Schwulenbar, in der er sich genießend am ganzen Körper bepissen läßt. Für seine Freier sieht er sich auch als Sex-Therapeut.

Die Vergangenheit des inzwischen 53jährigen Sexexperten hat nichts mit der rauhen Wirklichkeit der Bahnhofsstricher zu tun. „Das hätte ich auch nicht überlebt“, erklärt er, der käuflichen Sex nur in seiner feinsten Variante praktizierte. Aber anders als im Buch schildert er bei der Lesung auch die Schattenseiten seines Traumjobs: „Callboy zu sein ist kein Zuckerschlecken. Ich habe natürlich Phasen der Vereinzelung erlebt.“

Koch ist Werbeträger für die Lust. Gesellschaftliche Zwänge hat er wie eine alte Haut abgestreift. Dabei genießt der bekennende Exhibitionist den Rummel um seine Person. Nur um seine „arme Mutter“, der er das alles zumuten muß, sorgt er sich. Und das kürzlich sogar in der Sendung ihres Lieblingsshowmasters Alfred Biolek.

Werner Hinzpeter