Feige Beamtenmoral

KOMMENTAR

Feige Beamtenmoral

Ist der Elfenbeinturm auf dem Parkdeck in der Hamburger Straße jetzt völlig übergeschnappt? Was sich die Kulturbehörde von Christina Weiss mit ihrem Verbot der Aktion der Sinti- und Roma-Union in Neuengamme leistet, ist an Instinktlosigkeit und Kurzsicht kaum zu überbieten. Trotz verständnislosem Kopfschütteln selbst der Innenbehörde wie der Staatsanwaltschaft und dem Protest sowohl der an der Gedenkstätte Beschäftigten wie des Forums Jüdischen Lebens durchzuckt die Senatorin auf wundersame Weise eine Beamtenmoral, daß es einen schaudert. Man wolle nicht, daß die Funktion der Gedenkstätte beeinträchtigt werde, ist ihr eines Argument. Aber wozu dient denn bitte eine Gedenkstätte, wenn nicht, um die Kontinuität von Geschichte, gerade von unmenschlicher Geschichte zu veranschaulichen? Wenn die Opfer von gestern auf von der Öffentlichkeit fast unbemerkte Weise wieder die Opfer von heute sind, wo sollen sie ihr nötiges Anliegen denn nach Meinung der Kulturbehörde vorbringen? „Im innerstädtischen Gebiet“ lautet die hochmütige Antwort der Behörde, denn dort könne man doch „ungleich mehr Bürgerinnen und Bürger erreichen“. Wirklich schlimm ist aber das zweite Argument der Kulturlosigkeit: Man werde es nicht dulden, „wenn die KZ-Gedenkstätte in der Auseinandersetzung um die Asylproblematik instrumentalisiert (...) würde.“ An was mahnt das KZ-Neuengamme der Meinung der werten Senatorin nach eigentlich? An deutsche Soldaten auf der Krim oder Hitlers Hund Blondie? Oder vielleicht doch auch mit an die zigtausend „unarischen“ Menschen, die im Ausland kein Asyl gefunden haben und deswegen hier ermordet wurden? Anstatt sich mit der Aktion der Rom-und-Cinti- Union zu solidarisieren und damit ein Zeichen an die Bundesregierung mitzusenden, daß Zivilcourage auch Hamburger Politikern nicht fremd ist, verschanzt sich die Behörde noch tiefer hinter Gesetzen, als es selbst ein Staatsanwalt von ihr vermutet hätte. Soviel Feigheit, Frau Senatorin Weiss, hätte ich ihnen bisher niemals zugetraut. Till Briegleb