Menschlich eiskalt

KOMMENTAR

Menschlich eiskalt

Vom finanziellen Standpunkt aus gesehen sind alle Hamburger Privatbühnen Marionettentheater. Bei einem Eigenkapital, das gegenüber den Subventionen geradezu lächerlich wirkt — angestrebt sind nach den letzten Konkursen der Kammerspiele und des Scala-Theaters zehn Prozent der jährlichen Subventionsmenge —, kann von unternehmerischer Selbständigkeit eigentlich keine Rede sein. Auch die neuen Chefkarten wurden nach diesen letzten spektakulären Pleiten in der Kulturbehörde gezogen. Denn wer das Geld gibt, will schließlich auch entscheiden. Wenn es aber schiefgeht, weil Künstler mal wieder keine Kaufleute waren, ist eines sicher: Die Kulturbehörde ist „weder beteiligt noch betroffen“ (so der Pressesprecher der Kulturbehörde Hinrich Schmidt-Henkel zum Kammerspiele-Prozeß). Das ist natürlich juristisch astrein, menschlich aber ist es eiskalt. Denn zig Millionen an einen Betrieb zu überweisen, dessen Geschäftsführung man sowenig kontrolliert, daß sich über drei Millionen Mark Schulden anhäufen können (wie im Fall der alten Kammerspiele), sich aber nach dem Konkurs zu nichts verpflichtet zu fühlen, ist schäbig. Vielleicht sollten Sie, Frau Senatorin Weiss, Ihrem Herzen mal einen Schubs geben und, Präzedenzfall hin oder her, die fehlenden 200 000 Mark aus ihrem Feuerwehrtopf zahlen, um damit zu beweisen, daß es wenigstens in Ihrem Ressort nicht nur um schöne Bilanzenm, sondern um Menschen geht. Till Briegleb