Wohnungen, Mieten, Zins und Cash

■ Zinsen treiben Bodenpreise hoch / Der Gewinn betrug 1986 in der BRD bereits 120 Milliarden D-Mark

Das Wohnungsproblem besteht schon seit den Tagen des alten Roms. Seit dem Zuzug der Übersiedler ist aus dem Wohnungsproblem in der BRD ein „nationaler Notstand“ (Oberbürgermeister Rommel) geworden. Im vergangenen Herbst fehlten bereits 800.000 Wohnungen in der Bundesrepublik, schrieb der 'Spiegel‘ (1 /1990) im Januar. „Ende 1990 liegt der Fehlbestand womöglich bei über einer Million.“ Und sie sind teuer und werden immer teurer. Die Mitpreise steigen laut 'Stern‘ (9 /1990) doppelt so schnell wie die Lebenshaltungskosten. In vielen Großstädten werden bereits 12 DM und mehr für den Quadratmeter kalt für Altbauwohnungen und 30 DM für Neubauwohnungen bezahlt. Es müssen also mehr als eine Millionen zusätzlicher Wohnungen gebaut werden.

Doch was kostet eine Neubauwohnung? Sie ist nicht unter 24 DM pro Quadratmeter zu haben. Die Kaltmiete für eine 75 Quadratmeter große Normalwohnung beträgt dann mehr als 1.800 DM, fast so viel, wie das Nettoeinkommen eines Arbeiters, eine 150 Quadratmeter große Wohnung, geeignet für eine WG, dann mindestens 3.600 DM im Monat! Wie kommt dieser Preis zustande?

Zunächst müssen Grundstücke her, auf denen gebaut werden kann. Steigt die Nachfrage nach Wohnungen, dann steigen auch die Bodenpreise. Steigt die Nachfrage nach Grundstücken, um die Wohnungsnachfrage zu befriedigen, dann steigen die Bodenpreise noch mehr. Und da Boden nicht wie Schrippen oder Autos produziert und vermehrt werden kann, wenn die Nachfrage nach ihm steigt, gehen die Bodenpreise auch nicht mehr runter, wenn genügend Wohnungen gebaut worden sind. Da der Boden in der BRD zu zwei Dritteln Privaten gehört, fließt dieser Bodenwertzuwachs vorwiegend Privateigentümern zu, und zwar als arbeitsfreier Gewinn. Da er nicht vom Himmel fällt, müssen jene ihn bezahlen, die ihn durch ihre Nachfrage mit ihrem sauer verdienten Geld in die Höhe treiben.

Der Aachener Publizist Helmut Creutz hat festgestellt, daß dieser unverdiente und faktisch unversteuerte Gewinn in der BRD bereits 1986 insgesamt rund 120 Milliarden DM ausmachte, ein Geschenk produktiver Menschen an die parasitären Eigentümer eines Naturprodukts und eines Naturgeschenks an alle Menschen (Kl. Schmitt, Hg., Silvio Gesell - „Marx“ der Anarchisten?, S. 121).

Für den erhöhten Bodenwert läßt sich der Bauherr außerdem noch einen Zins bezahlen: die Grundrente, ebenfalls ein arbeitsfreier Gewinn. Sie macht im Jahr ungefähr 3,5 Prozent des Bodenwertes aus. Kostet zum Beispiel ein Quadratmeter Bodenfläche in einer Großstadt 3.000 DM, dann erhält der Grundrentner 105 DM Grundrente im Jahr für diesen Quadratmeter. Benötigt ein Mietshaus mit fünf Viereinhalb -Zimmer-Wohnungen 200 Quadratmeter Bodenfläche, dann zahlt jede Mietpartei 350 DM im Monat allein für den Bodenzins. Der Grundrentner kassiert dann jährlich 21.000 DM Grundrente. Die gesamte Bodenrente in der BRD, die 1986 in die Taschen privater Grundeigentümer floß, gibt Creutz mit rund 60 Milliarden DM an. Das sind sechs Milliaraden mehr, als der gegenwärtige Verteidigungshaushalt der BRD ausmacht.

Muß der Bauherr den Boden auf Kredit kaufen, weil er kein Eigenkapital besitzt, dann zahlt er vielleicht 10 Prozent Kreditzinsen an eine Bank und deren Geldgeber. Diese Zinsen kann er wegen

der Boden- und Wohnungsknappheit auf die Mieter abwälzen. Der einzelne Mieter unserer durchaus realistischen Rechnung zahlt dann 1.000 DM Zinsen allein für den Grundstücksanteil, auf dem seine Wohnung steht.

Jetzt müssen auch noch Haus und Wohnung gebaut und mit Strom, Gas, Wasser und vielem anderen versorgt werden. Das kostet pro Wohnung etwa 250.000 DM. Bei einem Kreditzins von zehn Prozent zahlt der Mieter noch einmal 2.083 DM Zinsen im Monat für seine Wohnung. Ist er dazu nicht bereit, gibt es keine Kredite, und dann werden auch keine zusätzlichen Wohnungen gebaut. Ob und wieviele Wohungen gebaut werden, hängt also ganz wesentlich von der Höhe der Zinssätze ab.

Zusammen mit dem Kreditzins für den Boden zahlt der Mieter insgesamt 3.083 DM Zinsen im Monat.

Jetzt kommen noch die Abschreibungskosten hinzu. Sie werden dem Mieter für die Abnutzung der Wohnung und des Gebäudes in Rechnung gestellt. Da sich der Boden nicht abnutzt, fallen für ihn keine Abschreibungskosten an. Es verbleiben - auf eine Lebensdauer von 100 Jahre verteilt - ein Prozent des Gebäudewerts, der jährlich auf die Mieten umgelegt wird. Das macht für jede Mietpartei rund 208 DM im Monat. Die Tilgung des Kredits ist allein Sache des Hausbesitzers.

Bei der Berechnung der Zinsen für das sich abnutzende und schließlich abbruchreife Mietshaus läuft in der Regel jedoch ein linkes Ding: Der Mieter zahlt trotz Abschreibung meist unverändert den Zins für den Neuwert der Wohnung!Ist sie nach 90 Jahren nur noch 25.000 DM wert, zahlt er immer noch 2.083 DM eine Doppelverzinsung des Kapitals. Eine korrekte, wenn auch immer noch kapitalistische Kostenrechnung würde erfordern, daß die Zinsen im Laufe der 100 Jahre bis auf Null fallen oder von Anfang an bis zum Abbruch des Hauses nur zur Hälfte in Rechnung gestellt werden. Die Wohnungsknappheit erlaubt den Hausbesitzern jedoch meist diesen Betrug am Mieter.

Zu den unvermeidlichen Abschreibungskosten kommen die ebenfalls unvermeidlichen Newirtschaftungskosten für das Mietshaus: Reparaturen, Verwaltung, Steuern und so weiter, und das Mietausfallwagnis hinzu. Das macht für jede Wohnung rund 450 DM im Monat. Zusammen sind das 685 DM. Das ist die zinsfreie Miete. Die gesamte Miete beträgt jedoch 3.741 DM das mehr als Fünffache! Das Wohnungsproblem ist also offenbar ein Zinsproblem. (Das hat Helmut Creutz in: Bauen, Wohnen, Mieten ausführlich und leicht verständlich dargestellt)

Was ist dagegen zu tun? Den Mietern aus der Staatskasse Zuschüsse geben oder den Wohnungsbau aus Steuermitteln finanzieren? Das geht immer zu Lasten der Steuerzahler und somit auch der subventionierten Mieter selbst. Der Geld-, Kapital- und Bodenzins an die Kapitalisten und Grundrentner bleibt davon unberührt.

Was wäre jedoch, wenn Kredite zinsfrei vergeben werden könnten und der Boden vergesellschaftet wäre und von den Benutzern gepachtet werden würde? Das würde bedeuten, daß die Mieter keinen Kreditzins für den Boden, sondern nur den geringeren Pachtzins zu zahlen hätten. Sie könnten allein für die Bewirtschaftungs- und Abschreibungskosten (658 DM) plus Pachtzins (350 DM) in 150 Quadratmeter großen Wohnungen mitten in den Städten leben, für eine Kaltmiete von rund 1.000 DM im Monat. Außerdem würden bei gesellschaftlichem Grundeigentum die Bodenrenten an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Jeder Mensch, vom Säugling bis zum Greis, bekäme beim gegenwärtigen Stand der Bodenrente und wenn auch die Rente des bereits öffentlichen und gemeinnützigen Bodens dazu käme (die Steuerersparnis bei Abschaffung der Mietsubventionen nicht mitgerechnet) etwa 160 DM. Oder wenn wenn - wie von Silvio Gesell gefordert - die Bodenrente an Kinder und Jugendlich bis zum 18 Lebensjahr verteilt wird, jedes Kind und jede/r Jugendliche etwa 600 DM im Monat aus der Bodenrentenkasse. Unter diesen Bedingungen könnten auch Jugendliche mit geringem Einkommen und Mütter mit Kindern eine große Wohnung mieten, auch in den Stadtzentren: im Grünen, bei geringer Bodenpacht, wären sie noch billiger. Es wäre also sinnvoll, zinsfreie Kredite zu schaffen, wie es P. J. Prouwdhon gefordert hat. Dazu ist ein zinsfreies Geld notwendig, wie es Gesell konzipiert hat, und der Boden müßte vergesellschaftet werden. Ich meine, es wird Zeit, daß wir uns wieder mit dem Zins und dem Grundrentner beschäftigen, wie es die libertären Sozialisten und die Geld-, Kredit- und Bodenreformer gemacht haben. Der Zins und das Privateigentum an Boden und Bodenschätzen sind auch in der „Dritten Welt“ gravierende Probleme.

Klaus Schmitt