Der chinesische Olympiakritiker

Seit Mai hat Hu Jia bereits in Peking unter Hausarrest gestanden. Weil im Internetzeitalter aber mutigen chinesischen Dissidenten damit nicht der Kontakt mit der Außenwelt genommen ist, lassen sie sich auch nicht mehr so einfach den Mund verbieten. Der 34-jährige Hu nahm sogar am 27. November per Webcam an einer Anhörung des Europaparlaments teil. Dabei bezeichnete er die für August 2008 in Peking geplanten Olympischen Spiele als „Desaster für die Menschenrechte“ und kritisierte, dass hohe Staatssicherheitsbeamte die Spiele mitorganisierten.

Es ist unklar, ob es genau diese Äußerungen waren, die am vergangenen Donnerstag zur Festnahme Hus führten, die erst am Samstag bekannt wurde. Offiziell wurde „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ genannt. Tatsache ist, dass Hus Fall wieder den Blick auf die Menschenrechte in China wirft und seine Aussage zu den Olympischen Spielen nur bestätigt, sollte seine Kritik an dem Ereignis mit seiner Festnahme zusammenhängen.

Hu und seine zehn Jahre jüngere Frau, die Bloggerin Zen Jinyan, zählen zur neuen Generation chinesischer Cyberdissidenten, die mutig gesellschaftliche Missstände thematisieren. Hu engagierte sich bereits als Informatikstudent in Umweltorganisationen. Er setzte sich für die Rettung tibetischer Antilopen ein und trat zum tibetischen Buddhismus über. Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hatte er nach eigenen Aussagen für ihr Treffen mit dem Dalai Lama gedankt. Das hatte Berlins Beziehungen zu Peking in eine Krise gestürzt. Seine im November geborene Tochter ließ seine Frau sogar vom Dalai Lama im indischen Exil segnen. Peking sieht im Oberhaupt der Tibeter einen Separatisten.

Im Jahr 2000 hatte Hu Kontakte zu Aidsaktivisten bekommen und sich fortan in Organisationen engagiert, die sich für Aufklärung einsetzten und Aidsopfer und -waisen unterstützten. Das ist in China ein heikles Thema, da sich die Immunschwächekrankheit auch durch Behördenversagen ausgebreitet hat, was offiziell lange vertuscht wurde. In einem Blog kritisierte Hu auch Ministerpräsident Wen Jiabaos Besuch eines Dorfes mit vielen Infizierten am Weltaidstag als „Show“.

Hu nahm sich auch immer wieder des Schicksals anderer Dissidenten an, berichtete über ihre Fälle und half, sie zu vernetzen. Mit seiner Frau war er für den diesjährigen Sacharow-Menschenrechtspreis des Europaparlaments als Finalist nominiert worden. Das US-Magazin Time zählte die beiden bereits im Mai zu den einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres. Am 5. Dezember wurden sie von Reporter ohne Grenzen mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. SVEN HANSEN