Das Wunderkind wird 100

RETROSPEKTIVE Zum runden Geburtstag würdigt das Hamburger Kino Metropolis den Regisseur, Schauspieler und überhaupt Tausendsassa Orson Welles

Bis zum Jubiläum ist es noch gut einen Monat hin: Am 6. Mai 1915 wurde Georg Orson Welles in Kenosha, Wisconsin geboren. Das Hamburger Metropolis-Kino widmet dem Multitalent eine größere Werkschau, und die beginnt schon jetzt. Neuentdeckungen gibt es dabei kaum, denn Welles’ Filme zählten vor allem in den 70er- und 80er-Jahren zum oft und gerne gespielten Repertoire der Arthouse-Kinos, die damals allerdings noch nicht so hießen.

Um Orson Welles ranken sich viele Mythen. Er galt als Wunderkind, das mit sechs Jahren Shakespeare zitierte. Und er arbeitete sukzessiv in allen Leitmedien des 20. Jahrhunderts: Er begann als Theaterschauspieler und regisseur, machte dann Radio: 1938 versetzte sein Hörspiel „Krieg der Welten“ nach dem Roman von H. G. Wells Tausende von Hörern in Angst und Schrecken. In Hollywood galt er danach als junges Genie, und mit seinem ersten Spielfilm „Citizen Kane“ löste er diese Erwartungen auch ein. An den Kinokassen war er leider kein Erfolg und so wurden Welles nie wieder die gleichen künstlerischen Freiheiten gewährt. Irgendwann machte er auch Fernsehen – ein so witziger wie deprimierender Abschluss einer Retrospektive wäre sein Auftritt mit den Muppets in der „Orson Welles Talk Show“, die nach einer Folge wieder eingestellt wurde.

Die Hamburger Reihe nun beginnt mit „Citizen Kane“ von 1941 (2., 3. + 4. April). Über kaum einen anderen Film ist mehr geschrieben und doziert worden, aber Welles’ frühes Meisterwerk ist auch so gut gealtert und derart komplex, dass er sich immer wieder anders und neu ansehen lässt. Bei „The Lady from Shanghai“ von 1948 (5., 7. + 8. April) reizte es Welles, aus einer trivialen Vorlage Filmkunst zu machen: Er adaptierte einen Groschenroman um einen irischen Seemann, der von einer gewissenlosen Schönheit ins Verderben getrieben wird und spielte selbst die Hauptrolle – neben Rita Hayworth, von der er da gerade frisch geschieden war.

Mit „The Stranger“ (5., 6. + 7. April) wollte Welles 1946 beweisen, dass er auch als solider Handwerker einen Film basteln kann. Viel genützt hat es ihm später bei den Studios nicht, dabei hat er aus dieser Geschichte um einen Nazi-Offizier, der versucht in einem kleinen amerikanischen Städtchen unterzutauchen einen spannenden kleinen Thriller gemacht, den auch Alfred Hitchcock nicht viel besser hätte inszenieren können.

Apropos: Es bestehen verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Hitchcocks „Psycho“ und Welles’ „Touch of Evil“ (13., 14. + 16. April): Darin gibt es eine Sequenz mit dem hochneurotischen Motelbesitzer, der wie eine Kopie von Hitchcocks Alan Bates wirkt – aber Welles’ Film entstand zwei Jahre früher. „Psycho“-Hauptdarsteller Anthony Perkins wiederum spielte 1962 den Bankangestellten K. in Welles’ Adaption von Franz Kafkas „Der Prozess“ (13., 14. + 17. April).  HIP

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