Russland wird WTO-Mitglied. Rösler: „Gut für Deutschland“

WELTHANDEL Wirtschaftsminister: Firmen könnten jährlich eine Milliarde Euro mehr verdienen

Viele russische Dienstleister werden laut Experten der Konkurrenz nicht standhalten

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Nach 16-jährigen Verhandlungen ist Russland am Freitag als 154. Land in die Welthandelsorganisation (WTO) aufgenommen worden. Auch Montenegro, Samoa und der südpazifische Inselstaat Vanuatu wurden Mitglieder. Die Aufnahmeentscheidungen waren die einzigen Beschlüsse der heute zu Ende gehenden 8. WTO-Ministerkonferenz in Genf. Die vor zehn Jahren in der Hauptstadt Katars eröffnete Doha-Verhandlungsrunde über eine weitere „Liberalisierung“ etwa im Dienstleistungssektor und bei Agrargütern bleibt blockiert.

Vor allem westliche Wirtschafts-und Regierungsvertreter begrüßten den Beitritt Russlands und die damit verbundene Anerkennung des internationalen WTO-Regelwerks sowie die Pflicht zur Öffnung der russischen Märkte. „Das wird die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen beflügeln und für zusätzliche Impulse sorgen“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Nach Ratifizierung des Beitrittsabkommens durch die russische Duma, die bis spätestens 15. Juni nächsten Jahres erfolgen muss, sinkt der durchschnittliche Zollsatz Russlands für Importe von derzeit 10 auf 7,8 Prozent.

Dadurch könnten allein deutsche Firmen nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums bei Geschäften mit Russland rund eine Milliarde Euro pro Jahr mehr verdienen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft lobte die WTO-Aufnahme Russlands auch wegen des damit verbundenen „Modernisierungsdrucks“. Das Land werde sich neuen Standards und Regeln unterwerfen und transparenter mit Ausschreibungen für Geschäfte und mit Investoren umgehen müssen. Auch US-HandelsdiplomatInnen äußerten sich „sehr zufrieden“ über den russischen Beitritt zur WTO. Die US-Geflügelindustrie, für die Russland der größte Absatzmarkt ist, hatte immer wieder „willkürliche“ Einfuhrrestriktionen der russischen Behörden beklagt.

Mit einem Anteil von 2 Prozent am Welthandel war Russland die größte Volkswirtschaft sowie das einzige Mitglied der G-20-Staatengruppe außerhalb der WTO. Als Land mit den weltweiten größten Gasreserven sowie den sechstgrößten Ölvorkommen bezieht Russland den mit Abstand größten Teil seiner Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Energierohstoffen. Dafür existieren zwar keine WTO-Regeln. Der Anteil der Öl-und Gasausfuhren am Gesamtexport Russlands ist aber von 90 Prozent im Jahr 2001 auf 60 Prozent im letzten Jahr gesunken.

Deutlich zugenommen hat in dieser Zeitspanne die Ausfuhr von Stahl, Dünger und anderen Halbfertigwaren. Entsprechend wuchs das Interesse russischer Unternehmen an einem Beitritt ihres Landes zur WTO. Unabhängige russische Ökonomen befürchten allerdings auch, dass nach einer Marktöffnung viele einheimische Firmen im Dienstleistungsbereich und anderen Branchen dem ausländischen Konkurrenzdruck nicht standhalten werden können.