taz-Thema der Woche

Die Euro-Krise

■ betr.: „Sparen, bis der Abschwung kommt“, taz v. 10. 12. 11

In Sachen Finanz- und Währungskrise ist mir die Berichterstattung und Kommentierung der taz in diesem Bereich leider seit einigen Wochen viel zu einseitig: Sparen ist nur als zu Tode sparen zu verstehen und Gelddrucken ist die einzig richtige Alternative! Und jetzt ist Merkel auch noch der Totengräber der ganzen EU, weil wir uns in eine Rezession sparen… Bliebe die uns denn erspart, wenn jetzt andere Politik betrieben werden würde? Ich würde gerne auch mal wieder über andere Perspektiven informiert werden.

UWE DREXELIUS, Bielefeld

■ betr.. Wir wollen die Krise“, taz vom 10. 12. 11

Wenn Alem Grabovac eine Krise herbeisehnt, weil es sonst zu langweilig wird, dann ist leicht abzuhelfen:

Es gibt genügend Krisenländer auf der Welt, wo Menschen für das tägliche Überleben improvisieren müssen. Dorthin mag Alem Grabovac gern ziehen.

Ich habe mehrere Jahre in einem Krisenland gelebt, ich brauche keine Krise, damit mein Leben interessant wird. Es ist schade um das Papier, das die taz für solch ein ironisch-zynisches Pamphlet zur Verfügung stellt.

MARTIN BREIDERT,

Bad Honnef

■ betr.: „Rating. Setzen, zwei plus“, taz vom 7. 12. 11

Wieso ist es denn schlecht herabgestuft zu werden? Ist doch super, dann bekommen die „Investoren“ mehr Zinsen, können noch mehr abschöpfen ohne zu schöpfen, mehr Steuergeld fließt in jene Taschen, die von den politischen Entscheidern eh schon zum Platzen gefüllt wurden und die Blasen werden noch schneller größer und platzen schneller. Wenn‘s anders nicht geht, dann eben so, waren eben zu spät dran und zu gierig für einen „geregelten Kapitalabfluss“. Wenn diese altbekannte Problematik in weiteren zwei bis drei Generationen wieder auftaucht, wird vermutlich eine Winzigkeit früher „eingelenkt“. Was für eine Entwicklung, dazumal der Kaiser, König, Fürst mit seinem Herold, ist‘s heut der Wirtschaftsboss, Großaktionär mit „seinen“ Politikern. Und die Untergebenen können sich freuen, die blutigen Schlachten werden weniger, jetzt gibt‘s immer geregeltere Dauerabgaben… HENDRIK FLÖTING, Berlin

■ betr.: „Wir wollen die Krise“, taz vom 10. 12. 11

Man ist wirklich versucht dem Pamphlet von Alem Grabovac zuzustimmen.Warum ein System retten, dass sich durch Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung konstituiert? Der Autor zeigt in seinem Text denn auch, wie schön die Welt nach dem Systemcrash aussieht: Miteinander reden, einander helfen, solidarisch sein und teilen. „Biete Kartoffeln, gegen Haarfrisur, kaufe Zigaretten für Klamotten“ und so weiter. Angesichts des für alle ersichtlichen Bankrotts des globalen Kapitalismus, ist es durchaus angebracht, sich Gedanken über ein alternatives Wirtschaftssystem zu machen. Wer allerdings so naiv und offensichtlich ohne jegliche Kenntnis ökonomischer Grundgesetze argumentiert, der diskreditiert jede Utopie als irre. Etabliert man ein Wirtschaftssystem ohne Geld und auf Basis des Tauschhandels in einem Land wie der Bundesrepublik, wird es auf lange Sicht weder Kartoffeln, noch Friseure oder Klamotten geben. Das liegt daran, dass nicht unbedingt jeder der einen Haarschnitt anbietet, gerade Kartoffeln braucht. Daher müsste derjenige, der einen Friseur sucht, seine Kartoffeln erst einmal gegen das Gut eintauschen, für das der Friseur bereit wäre, die Haare zu schneiden. Wenn es unglücklich läuft, muss er dutzende Tauschgeschäfte durchführen, bis er zu seinem Haarschnitt kommt. Dieses Prinzip nennt sich „Transaktionskosten“. In einem Geld basierten Wirtschaftssystem sind die Transaktionskosten sehr gering, da alle Menschen Geld als Tauschmittel akzeptieren. Denn sie wissen, dass sie es jederzeit gegen jedes andere Gut eintauschen können. In der fröhlichen Tauschwelt von Herrn Grabovac wären die Menschen vermutlich fortan mit nichts anderem mehr beschäftigt, als die richtigen Tauschpartner für ihre Güter zu finden. Wer soll da überhaupt noch Zeit finden Kartoffeln anzubauen? Oder Kleidung zu nähen? Nein, wir wollen die Krise nicht! KURT STUKENBERG, Hamburg

■ betr.: „Sparen, bis der Abschwung kommt“, taz vom 10. 12. 11

Dem Kommentar von Ulrike Herrmann fehlt heute leider der Weitblick. Ursache der momentanen Krise ist die Tatsache, dass wir in Europa schon seit Jahrzehnten weit „über unseren Verhältnissen“ leben. Wir verbrauchen mehr Rohstoffe und mehr Energie als wir haben und produzieren unsere Konsumgüter auf Kosten armer Menschen in andern Ländern und Erdteilen. Die Banken hingegen sind nicht die Ursache, sondern nur das Symptom der Krise. Sie haben erkannt, wo in unserer Gesellschaft Defizite liegen und schlagen Profit daraus. Die Politik hat ihnen durch Deregulierung die Möglichkeit gegeben, dies schnell und effektiv zu tun, so schnell, dass das ganze System früher als erwartet ins Wanken geriet. Ob nun ein europaweites Sparprogramm diesen Kreislauf aufzuhalten vermag, ist mehr als fraglich, denn so lange unsere Gesellschaft auf Wachstum und Konsum setzt, wird sie sich nicht erholen können. Insofern wird Merkels Sparprogramm nicht viel helfen. Wirkungslos wird es dennoch nicht bleiben, denn den Menschen in Europa wird so vielleicht klar, dass sie den Lebensstandard, von dem wir umgeben sind, nicht halten können. MICHAEL ROLF, Nürnberg

■ betr.: „Wir wollen die Krise“, taz vom 10. 12. 11

Danke, danke, danke für dieses Pamphlet.

Meine Lebensumstände: Sozialarbeit seit 20Jahren, „immer knietief in der Scheiße von anderen Leuten“ (Zitat eines Freundes zu meiner beruflichen Situation.) Tarife seit 2000 eingefroren – so nicht die Lebenshaltungskosten. Alles hinreichend bekannt, dabei wenig wert geschätzt. Bei einer Höchsterwartung an Flexibilität wird gestrampelt, höher, weiter, schneller, wird vermieden, das Fass zum Überlaufen zu bringen. Weiterhin täglich medial aufbereitete Krisen, Kriege und Katastrophen, die mich zum Kuschen bringen und mir den Spatz auf der Hand schmackhaft machen sollen. Ja, warum eigentlich? Ab heute werde ich wieder bestens schlafen. Ja Krise komm. Ich habe Lust auf Abenteuer und sehne die Freisetzung ungeahnter Energien herbei. SUSANNA DRIENDL, Berlin

■ betr.: „Sparen, bis der Abschwung kommt“, taz vom 10. 12. 11

Es kriselt weiter und es wird zusehends bedrohlicher. Im Gedächtnis sollte uns noch sein, dass vor wenigen Jahren unsere Eliten jede Krise fast ausschlossen, und nach glorreicher Rettungsaktion 2008 hieß es schnell und laut,man sei gestärkt aus der Krise hervorgegangen und sie sei so gut wie überwunden.

Dann ging der Krisenknatsch weiter, ging erst richtig los und seither gipfelt er von Woche zu Woche mit fragwürdigen Ergebnissen und der drängenden Frage – die niemand so recht beantwortet – um wessen Rettung, um wessen Preis und zu wessen Lasten soll das alles gehen. Das Gespenst „Inflation“ wird häufiger im Munde geführt. Wer sie vor allem trägt, ist wahrlich kein Geheimnis, nämlich alle die, die nicht im geringsten die Krise verschuldet haben.

Wider jedem ökonomischen Verstand, wider jeder Erfahrung wird Sparen verordnet, jedoch nicht für alle, sondern wieder für die, die nicht schuld sind. Genau das befeuert die nächste Krisenwelle. Wer soll mit seiner nicht vorhandenen und minimierten Kaufkraft die Konjunktur zum Leben erwecken? Wen und was retten die Rettungsschirme und unvorstellbaren Transaktionen an fiktiven Geldmengen? Gerettet wird einzig die bedrohte Profit-und Zinserwartung der Finanzjongleure, die nach Verwertung und Profitabilität riesiger freier Geldmengen suchen, die in Realinvestitionen nicht gebraucht werden. Darauf baut sich der ganze dubiose, verworrene Finanzmarkt mit seinen Blasen auf und bedroht alle jene, die nicht zu den Reichen und Reichsten gehören. ROLAND WINKLER, Remseck

■ betr.: „Sparen, bis der Abschwung kommt“, taz vom 10. 12. 11

Merkel wird als Vorkämpferin eines neuen deutschen Nationalismus und einer besonders perfiden Variante des Kapitalismus in die Geschichte eingehen. Am Beispiel Deutschland zeigt sich, wie unsinnig eine Schuldenbremse ist. Diese wurde eingeführt, nachdem rot-grün das Steueraufkommen ohne Not senkte! Es fehlte Geld, der Staat machte mehr Schulden. Und jetzt?

Der Bildungssektor ist völlig unterfinanziert, unsere Infrastruktur zerfällt, zum Beispiel das Schienennetz. Die Staatsausgaben müssten dringend erhöht werden, schon deswegen, da wir in eine nächste Krise steuern. Grüne und SPD haben auf ihren Parteitagen gezeigt, dass sie das nicht verstanden haben. Sie glauben mit Korrektürchen ihres Niedrigsteuerkurses wäre es getan. Sie grenzen sich damit kaum von Angela Merkels ab, die meint, ganz Europa müssten ihrem Programm folgen, das da heißt „Kaputtsparen auf Kosten der weniger Verdienenden“. Sie hat bereits einiges erreicht, wie Sparprogramme in Griechenland, Italien und weiteren Staaten zeigen. Damit schwächen sich die europäischen Volkswirtschaften auf lange Zeit. Und von Gerechtigkeit kann keine Rede sein, da waren wir in Deutschland einmal weiter. Dieser Nationalismus ist gefährlich, denn die Haltung ist doch: „Wir Deutschen wissen es besser, wir zeigen den anderen wie es geht“. MICHAEL DROZS, München

■ betr.: „Wir wollen die Krise!“, taz.de vom 9. 12. 11

Lieber Alem,

wie alt sind Sie? Nach Ihrem Text zu urteilen, ca. 20 bis 25 Jahre. Außerdem scheinen Sie ein furchtbar langweiliges Leben zu haben. Dies kann man aber nicht allen Menschen unterstellen.

Natürlich hätte der Zusammenbruch auch für mich etwas Positives: Ich könnte endlich der nervigen Tretmühle meines Jobs entfliehen. Doch ich würde dieses lieber weiterhin in Kauf nehmen, als mich und meine Familie dem Zusammenbruch auszusetzen, denn das wird nicht so romantisch, wie Sie sich das vorstellen.

Es hat nun mal nicht jeder tolle Tauschwaren anzubieten.

Was ist mit den Alten und Kranken? In der Krise ist sich jeder selber der Nächste. Viele Schwache würden zu Grunde gehen. Bye bye, schöne neue Welt.

HEIKE, taz.de

■ betr.: „Sparen bis der Abschwung kommt“, taz.de 9. 12. 11

Der Kommentar ist nicht wirklich überzeugend. Wir sehen doch, dass die Finanzmärkte nicht mehr bereit sind, weitere Verschuldung zu finanzieren. Und das ist auch gut so. Das Limit ist erreicht, die Maastricht-Kriterien sind eine Obergrenze, an der wir längst angekommen sind. Eine Rezession muss nicht zwingend die Folge sein. Im Gegenteil. Es kann ein Boom ausgelöst werden, wenn die Staaten ernsthaft konsolidieren, denn die Menschen würden endlich die Angst vor Staatspleiten und einer unberechenbaren Zukunft verlieren. Auch wäre die Angst vor Inflation dann endlich weg. Die paar Milliarden, die jeder Euro-Staat nun einsparen soll, werden die Weltwirtschaft nicht abwürgen. Vieles kann durch private Ausgaben und die Ausgaben anderer Staaten, die mehr Geld haben, kompensiert werden. Merkel macht es genau richtig. MATSETAZ, taz.de

„Merkel rettet die Euro-Krise“ titelte die taz am vergangenen Wochenende und bemerkte, dass die Kanzlerin mit dem Beschluss neuer Sparvorschriften „sehr zufrieden“ sei.

Diese Zufriedenheit teilennicht alle mit ihr. Die Briten wollen eine Sonderregelung und Ulrike Herrmann konstatiert in ihrem Kommentar „Sparen, bis der Abschwung kommt“, dass die Bundeskanzlerin sich zwar komplett durchgesetzt habe, aber dennoch gescheitert wäre, da die Zinsen für Italien in die Höhe geschossen seien. Eine andere Möglichkeit statt Sparprogramm wäre für Merkel, die Steuern der Reichen zu erhöhen. Diese Variante hat die Bundeskanzlerin aber noch nie erwähnt.

„Wir wollen die Krise!“, provozierte Alem Grabovac mit seinem Pamphlet in der Sonntaz. „Warum das alte System retten, wenn in Zukunft alles besser werden könnte?“ fragt er. Einige Antworten finden Sie hier.