Wunderkräuter mit Käsefärbkraft

MONOCHROM Um grün zu kochen, braucht man Salbei und eine Mutter mit Präsenzbibliothek

■ Suppe: Vier Frühlingszwiebeln mit den Erbsen (ca. 600 Gramm) andünsten, mit Gemüsebrühe (500 ml) und einem großen Glas Weißwein aufgießen. Wenn die Erbsen weich sind, alles mit frischer Minze und einem Becher Sahne schaumig pürieren.

■ Lasagne: Frischen Spinat (ca. 800 Gramm) mit Zwiebeln, Knoblauch, Salbei, Thymian, Basilikum und Frischkäse (500 Gramm) versetzt zwischen grüne Lasagne-Blätter schichten. Darauf britischen Salbei-Cheddar schreddern, mit frischen Kräutern garnieren.

■ Götterspeise: Packungsinhalt (Waldmeistergeschmack!) mit heißem Wasser verrühren und etwas Wodka zufügen. Grüne Trauben in transparente Gläser legen und die grüne Glibbermasse darob gießen, erkalten lassen.

VON MARTIN REICHERT
(TEXT) UND DAVID OLIVEIRA (FOTOS)

Muss Essen zur Inneneinrichtung passen? Und was ist das eigentlich für eine bescheuerte Frage? Wer sich auf die sonntaz-Serie „Monochromes Kochen“ einlässt, schafft sich Probleme. Oder Herausforderungen, wie man das heute nennt. Für Gastgeber Nr. 4 heißen sie: drei Gänge in der Farbe Grün.

Grüner Daumen, Grüne Woche, Renate Künast, Leben, Fotosynthese, Förster, alte Polizeiwagen. Grün, grün, grün sind alle meine Kleider. Was aber gibt es Tannenzweiggrünes aufzutischen im finsteren Dezember?

Nicht verzagen, Muttern fragen. Sie, die einen am eigenen Busen nährte und auch später vom Herde her stets für Sättigung sorgte, müsste es wissen. Auch verfügt sie über eine umfassende, aus Zeitungsausschnitten bestehende Präsenzbibliothek, der nun ein Dreigangmenü entsprang: Erbsensuppe mit Minze, Spinatlasagne und Götterspeise. Grün, grün, grün.

Am besten mit dem Gang für Warmduscher beginnen: Götterspeise. Tütcheninhalt mit heißem Wasser verrühren. Dann ein bisschen pimpen – ein Schuss Wodka dazu und drei grüne Trauben auf den Grund des kanadischen Wasserglases, in dem die erlesene Spezialität serviert wird. Ein Nachtisch wie ein Schlag ins Gesicht für die Schuhbecks, Lafers und Siebecks dieser Welt, blasphemisch, diese Götterspeise. Künstlich? Toxisch? Wer dies meiner Mutter zum Vorwurf machte, begibt sich auf die Stufe derer, die Helmut Schmidt auf die Risiken des Rauchens ansprechen. „Wissen Sie, damals hatten wir ganz andere Sorgen.“

Zugegeben: Meine Mutter, mit allen Wassern gewaschenes Kriegskind, hatte mir verschwörerisch ein Päckchen Lebensmittelfarbe zugesteckt. Nur für den Fall, dass bei den anderen Gängen farblich etwas schieflaufen sollte. Der Gebrauch dieser Substanz wäre regelwidrig gewesen, doch die Zubereitung der Suppe lehrte mich, Vertrauen in die farbliche Strahlkraft natürlichen Zutaten zu setzten. Grüne Erbsen, grüne Frühlingszwiebeln, grüne Minze. Das Ergebnis war tatsächlich grün, allein die Sahne ließ die schaumig pürierte Chose ins Pastellige abgleiten. Aber geschmacklich erwies sich die Sahne als fetter Booster für den Minzgeschmack.

Die Lasagne verde mit grünen Lasagneblättern, so der Gedanke, müsste aufgrund ihres Hauptbestandteils, des Spinats, ein Heimspiel sein. Aber: Würde der mit Knoblauch und Zwiebeln beigemengte Frischkäse nicht strahlend weiß dazwischenfunken? Und erst der goldgelbe Käse obenauf? Kräuter waren die Rettung. Thymian, Salbei und Basilikum wirken püriert fast so gut wie Lebensmittelfarbe. Und ja, es gibt grünen Käse, zumindest grün durchwirkten: Cheddar mit Salbei nämlich – die gelblich schimmernden Stellen auf der schön zerlaufenen, mit Kräuterfarbe vollgesaugten Kruste können mit Basilikumblättern diskret abgedeckt werden.

Ohne Schummeln zum Ziel – als die Gäste eintreffen, bekommen sie grüngelblichen Riesling-Sekt gereicht, auf dass sie einander grün sein mögen und dem Gastgeber gewogen, der Farbe der Harmonie entsprechend. Ins Auge sticht ihnen, dass die Inneneinrichtung zum Thema des Abends passt: von Stühlen im Ton Spinatlasagne über erbsensuppengrüne Spiegelrahmen im Flur bis hin zum götterspeisengiftgrünen Kissen auf dem Sofa. Potzblitz, dafür wird es Punkte hageln, denkt der Hochstapler im Gastgeber.

■ Die Dinner: Für die Ausgaben an den vier Adventswochenenden hat die sonntaz-Redaktion ihre eigenen Kochkünste für Sie auf die Probe gestellt. Dabei durfte sich immer ein Redaktionsmitglied am Herd abmühen und ein Dreigängemenü in nur einer Farbe zaubern, während sich die Gäste die Bäuche vollschlugen und schließlich das Dinner mit Punkten bewerteten. Gewinnerin ist Waltraud Schwab, die Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch ganz in Rot gekocht hat.

■ Die Rezepte: Die sonntaz-Redaktion hat in Goldgelb, Weiß, Rot und Grün gekocht. Die Rezepte der monochromen Dinner: www.taz.de/gelb www.taz.de/weiss www.taz.de/rot

Das Essen, es sollte doch vor allem gut aussehen. Alle Gedanken im Vorfeld kreisten um die Farbe. Grün, das wurde zur Obsession, zum Hirnkrampf. Die Götterspeise sollte ihm mit einem unverschämten, „Promi-Dinner“ und „Kochduell“ verhöhnenden Grinsen begegnen.

Doch dann die Versöhnung: Die Gäste freuten sich über den frischen Minzhauch der Suppe. Die dank reichlicher Kräuterzugabe sehr würzige Lasagne verschwand schnell, zu schnell, um den konsequenten farblichen Auftritt im schummrigen Licht angemessen würdigen zu können. Der Götterspeisen dringliches Grün im transparenten Glas musste es herausreißen.

Am Ende aber scheiterte der Gastgeber dann doch an der Farbe. Der Stuhl, auf dem er Platz genommen hatte, krachte zusammen, und der Gastgeber landete zwischen Zigarettenasche und Weißweinklecksen. Er hatte statt eines der grünen das einzige schwarze Sitzmöbel gewählt. So ergeht es einem, wenn die Einrichtung nicht zum Essen passt.