Immer noch da

Richard Rebmann bleibt. Hochgelobt an die Spitze der Südwestdeutschen Medienholding. Aber die Zeit der Alleinherrschaft ist vorbei. Zwei neue Geschäftsführer kommen und sollen schaffen, was Rebmann nicht geschafft hat: eine profitable Perspektive für Deutschlands zweitgrößten Tageszeitungskonzern

von Josef-Otto Freudenreich

Der Titel ist gefunden: Ober-Geschäftsführer. So besagt es die umfängliche Pressemitteilung des Verlags, und so klingt es gut. Richard Rebmann (53) werde zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bestellt, heißt es in der Verlautbarung der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), die sich freut, „dass wir einen erfahrenen Manager an unser Haus binden konnten“. Weiter ist zu lesen, der Konzern verzeichne ein „beträchtliches Wachstum“, womit nur der 700-Millionen-Kauf der Süddeutschen Zeitung gemeint sein kann. Deshalb bekomme Rebmann zwei weitere Geschäftsführer an die Seite gestellt, von denen einer mit ihm die „Doppelspitze“ bilde.

Das erscheint sinnvoll, weil einer allein nicht ständig zwischen Oberndorf, Stuttgart, München und Coburg hin- und herbrausen kann, ohne den Überblick zu verlieren. Zu groß ist das SWMH-Reich, das von Südbaden bis nach Frankfurt/Oder reicht und respektable Organe wie die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten einschließt.

Rendite und Ansehen haben schwer gelitten

Nun muss man bei PR-Prosa immer ein wenig aufpassen. Man kann es machen wie die Branchendienste, die Agenturen und die hauseigenen Zeitungen, die das Kommuniqué der obersten Heeresleitung wortgetreu verbreiten. Man kann aber auch darüber nachdenken, ob der Absender der Nachricht nicht all zu flink dabei ist, jemanden hochzuloben. Einen, laut Pressemitteilung, „versierten Manager“ auf „erfolgreichem Kurs“ zumal. Aufgefallen ist Rebmann eher durch Kahlschlag im Betrieb und seine Vorliebe für Etikette. Auf den Doktor legt er Wert und auf die Feststellung: „Sehen Sie, ich bin immer noch da.“

Den württembergischen Verlegern, die in der SWMH versammelt sind, wird die Lobpreisung auf den Magen geschlagen haben, weil sie Erfolg anders buchstabieren: R-E-N-D-I-T-E. Und die hat so schwer gelitten wie das Ansehen. 2007, im Jahr vor Rebmanns Amtsantritt, haben sie noch eine zweistellige Umsatzrendite eingefahren. Jetzt liegt sie im einstelligen Bereich, und Dividenden gibt es auch nicht mehr. Die Anzeigen- und Aboverluste der beiden Stuttgarter Blätter sind massiv, der Imageeinbruch auch. Und selbst die Süddeutsche bietet nur noch Magerkost.

Zum Missvergnügen vieler Gesellschafter beigetragen hat zuletzt der monatelange Streik beim Schwarzwälder Boten (Schwabo), Rebmanns Heimatorgan, an dessen Schlichtung der Hausherr kein Interesse zeigte. So lange nicht, bis sich sogar Altministerpräsident Erwin Teufel (CDU) und, weniger schlimm, Finanzminister Nils Schmid (SPD) aufgerufen fühlten, zum Protestgriffel zu greifen. Ihre Briefe an den Schwabo-Chef dürften auch bei den Verlegern kursieren und sie in ihrer Annahme bestärkt haben, dass die Sozialkompetenz in der Schwabo-Chefetage an „Unfähigkeit“ grenze, wie es einer ausdrückte. Aber zugestimmt haben sie der „neu ausgerichteten Führungsstruktur“ trotzdem. Man habe, beteuert ein schwäbischer Zeitungsfürst, Rebmann „nicht desavouieren“ wollen.

Der Grund dafür ist einfach: 2008 hat der promovierte Jurist und Vizepräsident des deutschen Zeitungsverlegerverbands einen genialen Deal eingefädelt. Seinen Schwabo hat er in die Medienholding Süd (MHS) eingebracht, dafür 18 Prozent an dieser Tochter der SWMH plus den Posten des Alleingeschäftsführers der SWMH bekommen. Daneben ist der Schwarzwälder Bote auch noch Mitgesellschafter bei der SWMH, womit er doppelt abgesichert ist. „Den kann man nicht einfach abschießen“, erläutert ein Gesellschafter, „in eigener Sache war Rebmann schon immer ein cleverer Verhandler.“ Und ein energischer Protestler, wenn es um diese eigene Sache geht. Besonders betroffen davon ist der Südwestrundfunk (SWR), dessen Berichterstattung Rebmann immer wieder kritisiert. Diesmal, am 30. November 2011, zeigt er sich „mehr als irritiert“ über die Oberndorfer Streiknachrichten des SWR und kündigt, wie gewohnt, die Prüfung rechtlicher Schritte an.

Eine Strategie für den zweitgrößten deutschen Tageszeitungskonzern ist das nicht. So wenig wie das fortwährende Kündigen von Mitarbeitern, die Auslagerung von Tätigkeiten an Billiglohnfirmen und die Preiserhöhungen im Vertriebs- und Anzeigenwesen. Das wissen die Gesellschafter seit drei Jahren. Gegenüber Kontext beklagt nun einer von ihnen die „fehlende Perspektive“, verbunden mit der Hoffnung, dass es „nur besser“ werden könne. Rebmann sei mit seinen vielen Baustellen schlicht überfordert, für seine Partner „nicht präsent genug“ gewesen. Ein zweiter Teilhaber geht noch weiter und spricht von einem „Skandal“, dass die SWMH so lange zugeschaut habe.

Den Stuttgarter Blättern droht eine neue Sparrunde

Und deshalb kommt jetzt, zum Aufpassen und Dasein, die Doppelspitze. Der Neue, als Co-Geschäftsführer präsentiert, heißt Alexander Paasch und soll den „kaufmännischen Bereich“ abdecken. Er arbeitet noch beim Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio und leitet dort die Logistiktochter Movianto. In der Zeitungsbranche kennt ihn noch niemand, aber er habe einen „sehr positiven“ Eindruck hinterlassen, berichtet ein schwäbischer Verleger, der ihn in der vergangenen Woche bei der zweitägigen Aufsichtsratssitzung erlebt hat.

In dem 42-jährigen Cheflogistiker sehen die Württemberger einen Gegenpart zu Rebmann, dem handzahme Schwarzwälder Führungskräfte am liebsten sind. Der gebürtige Bayer sei kein „Zahlensortierer“, er habe mehr als nur „Buchhaltereigenschaften“, und seine Mitarbeiter erzählen, er könne sogar „manchmal einen Witz machen“. Das ist in der Tat ein personales Gegenprogramm und würde dem bleiernen Klima im Möhringer Pressehaus gewiss guttun; es ist freilich nicht Paaschs vordringliche Aufgabe. Vorsorglich weist ihn ein SWMH-Gesellschafter schon mal darauf hin, dass die Süddeutsche auf „sehr großem Fuß“ lebe und auch bei der Stuttgarter Zeitung noch „real existierende Paradiese“ vorhanden seien. Im Klartext: Paasch muss sparen. Im nächsten Jahr, kündigt ein Miteigner an, komme die nächste Runde – „mit Sicherheit“.

Der Dritte im Bunde kann das schon. Er heißt Martin Jaschke, ist Geschäftsführer bei der Zeitungsgruppe Thüringen (ZGT), und die wiederum gehört der Essener WAZ, bei der Sparen seit Jahrzehnten Programm ist. Als Mitglied der Geschäftsleitung der WAZ-Mediengruppe weiß der promovierte Jurist, wie man Redaktionen ausdünnt oder zusammenlegt und Zeitungen möglichst billig produziert. Bei den Betriebsräten in Möhringen dürfte das die Alarmglocken läuten lassen. Der Cross-Media-Spezialist Jaschke soll seinen Job spätestens am 1. Januar 2013 antreten und dann für die baden-württembergischen Zeitungen der SWMH, also Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, zuständig sein.

Interessant wird sein, ob der 48-jährige Westfale die neuen Errungenschaften aus Thüringen mitbringt: den „Leserreporter“ (www.meinanzeiger.de) und das „Reiseportal“ (www.reisejournal-on-tour.de), das den Abonnenten von Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung und Thüringischer Landeszeitung sogar einen kostenlosen Abholservice bei Reiseantritt verspricht. „Es gilt, neue Wege zu entdecken“, meint Jaschke. Bei seiner ZGT sind sie vorgezeichnet: schmale Zeitungen, bunte Anzeigenblätter für Trendbewusste, Postservice, Specials „Meine Heimat“ und „Fußball in Thüringen“.

Wie das alles zusammenpasst, weiß im Moment niemand zu sagen. Laut Pressemitteilung sollen die Geschäftsführer operativ an Rebmann berichten. Kenner der Materie fragen sich nun, was der Ober-Geschäftsführer dann noch macht?