USA fliegen erste Luftangriffe auf Tikrit

IRAK Regierung will Krieg gegen IS nicht den vom Iran unterstützten schiitischen Milizen überlassen

AUS SAMARRA INGA ROGG

Erstmals seit Beginn der Offensive der irakischen Streitkräfte auf den Islamischen Staat (IS) in Tikrit haben die USA in das Kampfgeschehen eingegriffen. Seit Mittwochabend hat die US-Luftwaffe mehrfach IS-Stellungen in der Stadt bombardiert. Den Luftangriffen ging ein formelles Gesuch von Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi voraus, wie irakische und US-amerikanische Regierungsvertreter bestätigten.

In einer nächtlichen Fernsehansprache in der Nacht zum Donnerstag kündigte Abadi die letzte Phase im Kampf um Tikrit an. Der Tag der Rettung sei gekommen, sagte Abadi. „Wir werden jeden Zentimeter des Irak befreien.“ Vom IS werde nichts mehr übrig bleiben. Die Unterstützung der US-Amerikaner, aber auch der Iraner erwähnte er nur indirekt. Der Sieg des Irak werde von den „irakischen Helden“ mit Hilfe von befreundeten Ländern und der internationalen Anti-IS-Koalition errungen.

Bei den schiitischen Badr-Milizen, die vor gut drei Wochen die Offensive auf Tikrit begonnen hatten, stößt die neue Entwicklung nicht auf Begeisterung. Nur wenige Stunden vor den ersten Luftangriffen hatte sich Hadi al-Ameri von der Badr-Organisation gegen jegliche Unterstützung durch die USA ausgesprochen. „Wir brauchen die Amerikaner nicht“, sagte Ameri gegenüber Journalisten westlicher Medien in Samarra. Das US-amerikanische Eingreifen könnte zu Problemen mit den eigenen Drohnen führen, die den Milizionären verraten, wo sich die IS-Stellungen befinden.

Die Badr-Organisation ist eine der schlagkräftigsten schiitischen Milizen im Irak. Einheiten der Regierungsarmee und der paramilitärischen Bundespolizei spielten bei den Angriffen auf Tikrit eher die zweite Geige. Bei ihrer Offensive haben die Badr-Milizionäre östlich von Tikrit etliche Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Doch seit rund zwei Wochen steckt der Angriff fest. Dabei räumte Ameri erstmals ein, dass die schiitischen Kämpfer an zu vielen Fronten gleichzeitig kämpfen.

In den Reihen von Armee und Bundespolizei hat das Vorpreschen der schiitischen Milizionäre für Unmut gesorgt. „Sie haben viele Fehler gemacht“, sagte ein hochrangiger Polizeioffizier in Samarra. Truppeneinheiten seien voneinander getrennt, Gebiete nicht gesichert worden. Zudem hätten die Badr-Kämpfer hohe Verluste erlitten. Ähnlich äußerten sich in den letzten Tagen Kommandanten der Armee, die offen US-Luftangriffe forderten. Die USA hatten daraufhin mit Aufklärungsflügen über Tikrit begonnen.

Die US-Luftangriffe zielten darauf, die IS-Hochburgen präzise zu treffen und so das Leben von Unschuldigen zu schonen sowie Kollateralschäden zu vermeiden, erklärte Generalleutnant James L. Terry, Oberkommandierender der Koalition. Dabei versuchen die US-Amerikaner den Eindruck zu vermeiden, sie würden mit den von Iran unterstützten schiitischen Milizionären gemeinsame Sache machen. Vielmehr hoben sie ihre Unterstützung für die irakischen Sicherheitskräfte hervor.

Abadi befindet sich nun in einer heiklen Lage. Politisch kann er die Milizen nicht brüskieren, weil sie hohe Opfer erbracht haben und unter den Schiiten als Helden gefeiert werden. Inzwischen sind sie aber so stark, dass sie seine Macht untergraben. Mit seiner Bitte um US-Unterstützung demonstriert Abadi, dass er sich nicht zur Geisel der Milizen und ihrer iranischen Unterstützer machen lassen will.