PIN setzt Politik unter Druck

Briefzusteller PIN kündigt Entlassungen an. Unsicher ist, wie die niedersächsische Regierung im Bundesrat über das Gesetz zum Post-Mindestlohn abstimmt. FDP will Zustimmung verweigern

VON MAIKE WÜLLNER

Der private Briefzusteller PIN-Group hat seine Drohung wahr gemacht. Bei den Arbeitsagenturen in vier Bundesländern, darunter auch Niedersachsen und Hamburg, wurden gestern insgesamt 880 Kündigungen angezeigt. 100 Mitarbeiter in Hamburg sowie 230 in Hannover und Braunschweig könnten ihren Arbeitsplatz bei dem Post-Konkurrenten verlieren. Einen „Blockadelohn“ von 9,80 Euro pro Stunde könne man sich nicht leisten, teilte PIN mit.

Schon am Dienstag hatte die PIN Massenentlassungen angekündigt – zunächst einmal für Niedersachsen und Bayern. Das Unternehmen gehört mehrheitlich dem Springer-Verlag und ist nach eigenen Angaben mit 9.000 Mitarbeitern der größte private Post-Zusteller Deutschlands. Dass nun auch andere Bundesländer betroffen sein könnten, sei „ein weiteres Indiz dafür, dass mit diesen Maßnahmen die Ministerpräsidenten unter Druck gesetzt werden sollen“, sagt Ulf Birch von Ver.di Niedersachsen. Am Mittwoch hatte Ver.di-Landeschef Siegfried Sauer sogar von einem „dreisten und durchsichtigen Erpressungsversuch“ gesprochen. PIN, sagt Birch, wolle erreichen, dass das Entsendegesetz auf den Postbereich ausgeweitet wird – und damit einen gesetzlichen Mindestlohn verhindern. Sollte die Mehrheit der Länder am 20. Dezember im Bundesrat nicht zustimmen, würde der vorliegende Gesetzentwurf nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft treten.

In Niedersachsen könnte die PIN mit ihrer Drohung Erfolg haben: FDP-Fraktionschef Philipp Rösler erklärte gegenüber der Osnabrücker Zeitung, dass die FDP/CDU-Koalition das Gesetz im Bundesrat ablehnen werde. Die niedersächsische CDU zeigte sich gestern auf Anfrage nicht imstande, eine Stellungnahme zum Thema abzugeben. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte sich zuletzt für den Mindestlohn im Postsektor ausgesprochen. So ist offen, ob die Landespartei den Gesetzentwurf unterstützt oder sich der bundespolitischen Linie der CDU widersetzt.

Die Opposition zweifelt an der Geradlinigkeit Wulffs. „Das würde doch zu der ganzen Politik der Anscheinserweckung passen“, sagte die grüne Abgeordnete Ursula Helmhold. Auch sie hält das PIN-Gebaren für eine Erpressung, der sich die Politik nicht beugen sollte. SPD-Sprecher Simon Kopelke nimmt den Ministerpräsidenten in die Verantwortung: „Die Frage ist, ob Wulff vor der FDP einknickt, oder ob es ihm der Koalitionsfrieden Wert ist, dass er vor Merkel einknickt“, sagt er mit Blick auf die Haltung der Bundesregierung.

Gegenüber der taz begründet FDP-Fraktionschef Rösler seine Ablehnung auch mit den angekündigten Entlassungen. Für den Fall, dass FDP und CDU sich nicht einig werden, sehe der Koalitionsvertrag eine Enthaltung im Bundesrat vor. Die allerdings gibt es dort bei so genannten Zustimmungsgesetzen gar nicht: Hierbei werden nur Ja-Stimmen gezählt. Eine Enthaltung käme einem „Nicht-Zustimmen“ gleich, sagt Rösler. „Wenn die CDU zustimmen wollte, braucht sie unsere Einwilligung – und die bekommt sie nicht.“ Es sei immer klar gewesen, dass die Liberalen den Mindestlohn ablehnen, weil er zum Stellenabbau führe.