Irrtümer und Wahrheiten über den Suizid

„Wer Suizidgedanken äußert, macht es am Ende doch nicht.“ Falsch. Den meisten Selbsttötungen gehen Andeutungen voraus. Sätze wie „Ich schaffe alles nicht mehr“, „Es hat doch alles keinen Sinn mehr“, sind immer ernst zu nehmen.

„Einen Menschen auf mögliche Suizidgedanken anzusprechen, sollte man unterlassen. Das bringt ihn nur auf dumme Gedanken.“ Falsch. Hoch depressive und verzweifelte Menschen sind oft erleichtert, wenn sie über ihre Selbsttötungsfantasien reden können. Nicht zuletzt deswegen ernten die einschlägigen Internetforen ja so regen Zuspruch.

„Die meisten Suizidversuche sind sowieso nicht ernst gemeint.“ Nach Schätzungen stehen einer vollzogenen Selbsttötung zehn bis 15 Versuche gegenüber. Nach internationalen Statistiken machen 20 bis 30 Prozent der Menschen, die einen Suizidversuch hinter sich haben, noch mal einen innerhalb der folgenden drei Jahre. Zehn Prozent der Betroffenen stirbt innerhalb der drei Jahre nach dem ersten Versuch. Bei wem sich Suizidfantasien weiter entwickeln oder wieder abbauen, kann man also nicht von vorneherein sagen.

„Männer bringen sich öfter um als Frauen.“ Allerdings. Von den 9.765 Selbstgetöteten im Jahre 2006 in Deutschland waren 7.225 Männer. Männer wählen auch häufiger sogenannte harte Methoden wie Erhängen, Erdrosseln oder Ersticken.“ Im internationalen Vergleich sind die Suizidraten bei den Männern in Litauen und Lettland besonders hoch. Dort führen Experten die hohen Zahlen unter anderem auf die wirtschaftlichen Umbrüche zurück, die von Männern angesichts des herrschenden starren Männlichkeitsbildes nicht bewältigt werden können, zumal die psychiatrische Versorgung in diesen Ländern schlecht und Alkoholismus verbreitet ist.

„Die Zahl der Suizide bei älteren Menschen nimmt zu.“ Die Selbsttötungsrate unter Senioren war schon immer relativ hoch. Da es zudem mehr ältere Menschen gibt, steigt der Anteil der Älteren unter den Selbstgetöteten. Bei den Frauen ist inzwischen jede zweite Suizidierte über 60 Jahre alt.

„Vor allem in der dunklen Jahreszeit nehmen sich Menschen das Leben.“ Falsch. Im Mai und Juli bringen sich besonders viele Leute um, im Dezember und Januar dagegen sind die Zahlen vergleichsweise moderat. Gerade im Frühling nämlich, wenn es überall sprießt und gedeiht, fühlen viele Depressive ihre Schwermut, da sie sich dann besonders abgetrennt von der „erwachenden“ Welt empfinden.

„Ein Suizid ist eine freie Entscheidung eines Menschen für ihn ganz allein. Man sollte ihm diese Freiheit lassen.“ Von einer Selbsttötung sind im Durchschnitt sechs Angehörige und FreundInnen mitbetroffen, die Trauer und Schuldgefühle bewältigen müssen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention. Bei 65 bis 95 Prozent aller Suizide wird eine depressive Erkrankung als Ursache vermutet. Auch psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie erhöhen das Risiko einer Selbsttötung beträchtlich. Von einer freien Entscheidung kann also eher nicht die Rede sein. BD