Kult aus Dakar

Könige der Fusion: Heute Abend verneigt sich das legendäre senegalesische „Orchestra Baobab“ in der Fabrik vor den alten afro-kuban-karibischen Stilen – und erweist zugleich dem neuen Sound Dakars die Referenz

„Just 4 U“ heißt der angesagteste Musikclub in Senegals Hauptstadt Dakar. Hier tritt die Crème de la Crème der nationalen Musikszene regelmäßig auf, ob Cheikh Lo, die Rapper von Daar J oder Superstar Baaba Mal. Der Samstagabend in dem prächtigen Gartenrestaurant ist allerdings dem „Orchestra Baobab“ vorbehalten. Die Band um Mastermind Barthélemy Attisso hat hier ein neues musikalisches Zuhause gefunden. „Für uns ist das optimal, um nicht aus der Übung zu kommen“, sagt Attisso. Der Arrangeur, Songwriter und Gitarrist der legendären Band genießt die Auftritte in dem Club und ähnlich wie in den 70er Jahren schicken die Mächtigen des Landes ihre Gäste und Freunde vorbei, um sich das Orchester anzuhören.

Das hat wie der altehrwürdige Baobab, der mächtige Affenbrotbaum, nach einem kräftigen Regen einige neue musikalische Triebe sprießen lassen und sich nicht nur vor den alten Stilen verneigt, sondern auch den neuen Sounds Dakars die Referenz erwiesen, erklärt Attisso. „Einige unserer Stücke haben wir jungen Rappern zum Remixen gegeben.“ Was indes nur dezent durchschimmert.

Für jeden ist etwas dabei, denn Attiso und Co. sind Könige der Fusion. Mandinka und Balanta aus dem Süden Senegals wird genauso gespielt wie portugiesisch-kreolische Morna, kongolesische Rumba oder kubanischer Son. Letzterer ist für Attiso schlicht Teil der eigenen afrikanischen Musik. „Mit den Seeleuten kam er zurück nach Dakar, doch der Rhythmus ist afrikanisch“, betont Attisso. Er ist gelernter Anwalt und liefert dem Orchestra nicht nur Gitarrensolis, sondern auch die Arrangements der Stücke.

Daran hat sich auch auf dem neuen Album „Made in Dakar“ nichts geändert. Gefeilt wurde jedoch an der Instrumentierung. So kommt die Sabar-Trommel, die den Grundrhythmus für Senegals Pop-Sound „mbalax“ liefert, deutlich stärker zum Einsatz als früher. Für Attiso eine Selbstverständlichkeit, denn schließlich waren es Youssou N’Dour und seine „Super Etoile“, die dem Orchestra Anfang der 80er Jahre den Rang mit dem neuen Sound abliefen. Der ist im „Just 4 U“ nun auch Teil des Baobab-Programms und Youssou N’Dour und den Sabar-Trommler Thio Mbaye hat das Orchestra zu den Aufnahmen im Xippi-Studio in Dakar eingeladen. Für Attiso selbstverständlich, denn gemeinsam mit Nick Gold, Produzent und Chef des britischen Weltmusiklabels „World Circuit“, war N’Dour die Triebfeder hinter der Reunion der Band.

Souverän schüttelt das Orchestra die Genres durcheinander, kombiniert, was originär nicht unbedingt zusammengehört, aber von Arrangeur Attisso harmonisch verwoben wird. So setzt das wunderbare „Colette“, ein Liebeslied zu Ehren von Attissos Frau, mit einem Ska-Riddim ein, wird dann recht funky und klingt wenig später als wäre der Buena Vista Socia Club in Dakar auferstanden. Dieses mühelose Wechseln zwischen den Genres ist ein Charakteristikum des Orchestra und beim neuen Album haben die Musiker um Bassist Charlie Ndiaye und Latfi Ben Geloune an der Rhythmusgitarre und die fünf Sänger noch einen draufgesetzt. Fusion ist Trumpf und Teil der Identität, bekräftigt Attisso lächelnd. Davon kann man sich heute Abend in der Fabrik überzeugen. KNUT HENKEL

Sa, 1. 12., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36