Burka im Licht

Betsy Udink zeigt sich solidarisch mit den Musliminnen in Pakistan, setzt dabei aber Islam und Islamismus gleich

VON INES KAPPERT

Der Buchtitel „Allah & Eva. Der Islam und die Frauen“ passt zum Buchdeckel und ins Klischee: Auf pechschwarzem Grund zieht eine kleine Fotografie in Schlüssellochform unseren Blick auf sich. Sie zeigt eine ganzkörperverschleierte Frau von hinten. Die wandelnde Burka geht auf eine Art Tunnel zu, an dessen Ende die Sonne scheint: Schon jetzt fällt ein Lichtstrahl von schräg oben links auf sie, man könnte auch sagen: vom Westen her.

Der C. H. Beck Verlag verwendet hier die sattsam bekannte Ikonografie eines opportunen Schwarz-Weiß-Denkens – der Islam als lichtloses Reich, die verschleierte Frau als Allegorie für die Repression von Andersdenkenden. Macht alles in allem: der Islam als die schwarze Gegenwelt zum christlich illuminierten Westen. Zumal wenn auf dem Buchrücken zu lesen steht: „Die Journalistin Betsy Udink hat sich in Pakistan an (…) kaum sichtbare Schauplätze begeben. Ihr glänzender Bericht bietet schonungslose Innenansichten vom Islam.“ Am Ende des Tages bringt die westliche Vernunft, also „wir“, Licht ins Dunkel und verleiht den geknechteten Frauen eine Stimme, ein Gesicht, eine Zukunft. So ein Glück.

Im Falle der Autorin Betsy Udink sind „wir“ übrigens eine Diplomatengattin, die mit Ehemann und Tochter seit vier Jahren in Pakistan lebt und sich der unzweifelhaft katastrophalen Situation von Frauen dort angenommen hat.

Das Buch setzt mit dem Besuch in einem Frauengefängnis in Peschawar ein. 90 Prozent der Frauen sitzen wegen Sittenwidrigkeit ein, zumeist angezeigt von ihren Vätern oder Ehemännern. Für pakistanische Frauen ist ein moralisch einwandfreier Lebenswandel die große Herausforderung in ihrem Leben. Das Scheitern daran ist ein Leichtes, denn die fundamentalistische Auslegung des Korans hat zahllose Fallstricke ausgelegt.

Der Bericht von Udink geht nahe: Die Inhaftierten sterben in diesem Gefängnis wie die Fliegen. Häufig sind die Frauen schwanger oder haben gerade – ohne jede Hilfe – entbunden. Die Kinder sind so apathisch wie ihre Mütter. Eindringlich führt die niederländische Journalistin vor Augen, was es bedeutet, qua Scharia zum Freiwild beziehungsweise zum Gebärobjekt erklärt zu sein.

Auch Undiks bissigen Bericht von einem Fundamentalistinnenkongress liest man gerne. Zeigt er doch, wie sehr auch ein weiblicher Opportunismus der Eliten das Unrechtsystem am Laufen hält. Auf wohltuend nebensächliche Weise unterläuft Udinks einen Geschlechterkitschdiskurs, der Frauen per se zu Opfern und diese dann zu den Guten erklärt. Gleichzeitig verliert sie an dieser Stelle nicht die Solidarität mit den mehrheitlich weiblichen Opfern eines grausamen Fanatismus.

Dieser Fanatismus sucht über ein Sündenbockdenken das Versagen und die Skrupellosigkeit der Eliten zu kompensieren – ob es nun um das ungelöste Problem der ausreichenden Ernährungsversorgung geht oder den Umgang mit dem schwierigen Erbe des Kolonialismus oder den fatalen Zustand des Bildungs- und Gesundheitswesens. Stets ist der moralisch verlotterte Westen das Großübel und die Domestizierung der unreinen Frauen das probate Gegenmittel.

Das Problem des Buchs liegt woanders. Und es ist gravierend. Nonchalant wird der Islam mit dem Islamismus, also eine Religion mit einer politischen Bewegung gleichgesetzt. Diese haltlose Identifizierung erfolgt – wie sich spätestens am Ende des Buchs zeigt – nicht ohne Absicht. Das letzte Kapitel widmet die Autorin ihrer Tochter, die in dieser durch und durch brutalisierten Gesellschaft pubertiert, aber mit Gewalt nichts am Hut hat. „Dafür sind ihre blauen Augen viel zu sanft.“ Auch hat Sophie mit ihren 15 Jahren Harry Potter bereits gegen Jarmusch, Tarantino, Kubrick, Coetzee und Wolfe eingetauscht. Ist klar. Dieses Supermädchen nun muss sich auf ihrer Privatschule mit den verwöhnten Pakistani-Jungs der Superreichen herumschlagen. Mit Jungs, die schon mal die Hosen runterlassen, aus dem Internet abschreiben, „Bröckchen von Haschisch bei sich haben“. Die Autorin plädiert siegesgewiss für Schulverweis.

In diesem Kapitel entlädt sich eine über die Berichterstattung hinweg aufgestaute Aggression: In allen Reportagen zuvor war Udink Beobachterin einer Weltanschauung, die der ihren diametral zuwiderläuft und ihren Status als mündige Person in Frage stellt. Nun endlich gibt es einen Ort, wo sie – als Mitglied des Schulvorstands – die Regeln aufstellen kann. Hatte Udink zuvor zu Recht kritisiert, dass die Fundamentalisten auf gesellschaftspolitische Problemlagen exklusiv moralische Antworten geben, eine grenzenlose Paranoia in Sachen Sex und Erotik an den Tag legen und ihren eigene Position allein durch die Abwertung einer anderen absichern können, schlägt sie hier im selben moralisch-rassistischen Register zurück.

Wie glaubwürdig sind dann aber ihre Beobachtungen? Just dann, wenn es um die Beschreibung der eigenen – elitären – Position im fremden Land geht, erfährt das vom Cover reproduzierte Denken, das den guten Westen gegen den bösen Orient stellt, seine dümmste Einlösung: moralisch einwandfreies, hochgebildetes und blauäuiges Westmädchen versus ordinäre drogenanfällige und sich Bildung erschleichende pakistanischen Jungs. Und das ist jetzt die viel gepriesene westliche Aufgeklärtheit?

Betsy Udink: „Allah & Eva. Der Islam und die Frauen“. Aus dem Niederländischen von Anna Berger. C. H. Beck Verlag, München 2007, 237 Seiten, 18,90 Euro