Schauspielerinnen, die in Welten eintauchen

HÖRBÜCHER Nina Hoss liest Tania Blixen sachlich und macht „Jenseits von Afrika“ zu einem historischen Dokument. Claudia Michelsen liest Stephan Thomes „Gegenspiel“ eher wispernd als unterschwellig brodelnd

Wer diesen ersten Satz der deutschen Filmfassung von „Jenseits von Afrika“ mit Meryl Streep einmal gehört hat, hat ihn nicht vergessen. „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß des Ngong-Gebirges.“ Das verwundete Timbre der Erzählerinnenstimme taucht den Satz in eine melancholische Nostalgie, die für ein Feelgoodmovie prima funktioniert. Den in sachlichem Ton geschriebenen Erinnerungen Tania Blixens an ihre Zeit als Kaffeeplantagenbesitzerin im kenianischen Hochland entspricht er nicht. Dessen war sich offensichtlich auch der Hörbuch-Verlag bewusst, der für die ungekürzte, ohne – das hätte ja auch passieren können – trommelnde Toneffekte auskommende Lesung von „Jenseits von Afrika“ die Schauspielerin Nina Hoss verpflichtete.

Hoss umgibt aufgrund ihrer kühl-empathischen Auftritte in Filmen wie „Toter Mann“ oder „Barbara“ eine geheimnisvolle Aura, die große Geste ist ihr abhold. Ganz selbstverständlich macht sie den berühmten Satz zu dem, was er ist: eine schlichte Beschreibung der Tatsachen. Dem eingelesenen Text liegt die Übersetzung von Gisela Perlet aus dem dänischen Original zugrunde, die, wie es im Begleittext heißt, sehr viel kolonialismuskritischer ist als die kürzere englische Fassung. Dennoch tropft aus jedem Satz der brillant geschriebenen Erinnerungen der dänischen Baronin das aus heutiger Sicht unerträgliche Selbstverständnis einer Kolonialherrin, Wesenszüge der „Eingeborenen“ und „Neger“ werden mit denen von Tieren verglichen. Doch indem Hoss den Text sachlich vorträgt, wird er zu dem historischen Dokument, das Blixen verfassen wollte – und ist auf diese Weise für heutige Hörer einzuordnen. Warum die Lesung ausschließlich als mp3-CD vorliegt, ist allerdings genauso rätselhaft wie die Idee, die Hoss ausladend auf dem Cover zu präsentieren. (Tania Blixen „Jenseits von Afrika“, Hörverlag, 19,99 Euro).

Der Audio Verlag ist in der Präsentation seiner Starvorleserin zurückhaltender, nur ein kleines Passfoto von Claudia Michelsen schmückt die schön aufgemachte, mit Romanzitaten und Berlinfotos versehene Pappklappbox von Stephan Thomes „Gegenspiel“. Die Schauspielerin, die regelmäßig beim Magdeburger „Polizeiruf 110“ ermittelt, ist mit Thomes Parforceritten von der westdeutschen Provinz in die Hauptstadt und wieder zurück vertraut – 2014 wurde sie für ihre unterschwellig brodelnde Kerstin Werner in der Verfilmung seines Debütromans „Grenzgang“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Ihre Lesung von „Gegenspiel“, in dem Thome die bereits im Vorgängerroman „Fliehkräfte“ erzählte Geschichte des Paares Hartmut und Maria noch einmal aus Sicht Marias aufrollt, wirkt in seiner angestrengten Lässigkeit seltsam distanziert. Für die wispernd betonten Dialoge der frustrierten Figuren ist das durchaus stimmig, in den erzählenden Passagen wirkt es allerdings hölzern. Die mögliche Sensation des Eintauchens in eine andere Welt, die sich beim Hören eines Textes einstellen kann, bleibt daher aus. (Stephan Thome, „Gegenspiel“, Audio Verlag, 24,99 Euro.)

SYLVIA PRAHL