Siegerinnen mit Sonderstatus

Die besten Fußballerinnen von Vereinen wie dem TV Oyten oder ATSV Sebaldsbrück spielen inzwischen beim SV Werder Bremen. Dessen Frauen regieren heute die Verbandsliga – Bilanz seit Saisonbeginn: zehn Siege, 84 : 0 Tore. Ganz alltäglich ist Frauenfußball bei den Grün-Weißen aber immer noch nicht

VON ROBERT BEST

„Hey Ladies, Trikottausch!“ – das ruft nach dem Spiel inzwischen niemand mehr. Der lüsterne Gag aus den Zeiten, in denen der Frauen- noch Damenfußball hieß, ist passé. Nein, dieses Frauen-Verbandsligaspiel des ATSV Sebaldsbrück gegen den SV Werder Bremen ist von Respekt geprägt. Gut fünfzig Zuschauer beklatschen Hackentricks und gelungene Tacklings. Auch der junge Mann, der den Schiedsrichter gibt, wird lautstark zurechtgewiesen – ein Zeichen, dass offenbar auch die Definitionshoheit, was Abseits ist und was nicht, das Geschlecht gewechselt hat. Nach Ende des Spiels, das der SV Werder 6 : 0 für sich entschied, üben sich Siegerinnen und Unterlegene am vergangenen Sonntag in Gratulationen und Shakehands.

„Wir nutzen die Ligabegegnungen auch, um Spielzüge und Pässe zu üben“, sagt Stürmerin Britta Möhlmann. Die Defensivabteilung habe sowieso „wenig zu tun“, zumal die anderen Klubs mittlerweile nach zehn Spieltagen nicht mehr so heiß auf den Favoritensturz seien wie zu Beginn. Dabei könnte man zwischen den beiden Teams durchaus das Vorhandensein von Zündstoff vermuten. Denn Möhlmann und zwei andere Spielerinnen des ATSV sind zu Saisonbeginn zu Werder gewechselt. Hier hatten sich im Frühjahr rund 300 Fußballerinnen aus ganz Deutschland beworben, um Teil der neu gegründeten Frauenmannschaft zu werden (taz berichtete). 18 Frauen aus elf Vereinen haben es geschafft und sich erstaunlich schnell in eine sichtlich starke Gemeinschaft verwandelt.

Böses Blut aber, sagt ATSV-Trainer Sven Rossow, sei gegen Werder nicht im Spiel – im Gegenteil. In der Region Bremen habe es nun mal keine Mannschaft gegeben, die bis in die dritte oder zweite Liga vorstoßen könne – bis zum Entstehen des SVW im Juli dieses Jahres. Daher unterstütze er die jungen Frauen, die seinen Verein verlassen. „Bloß kein Neid“, das hatte er zudem seiner Mannschaft vor dem Match empfohlen.

Das ist angebracht. Denn der 6 : 0-Erfolg der Werder-Frauen ist noch moderat ausgefallen. In zehn gewonnenen Spielen haben die Bremerinnen im Schnitt 8,4 Tore geschossen – und keines kassiert. Langweilig werde es trotzdem nicht, sagt Trainer Frank Schwalenberg, denn „auch wenn wir an der Tabellenspitze einsam unsere Kreise ziehen: Wir bauen uns unsere eigene kleine Falle“. Die Erfolgsschwelle steigt, ein Sieg stellt nicht mehr automatisch zufrieden.

Recht gibt ihm die Stimmung auf dem Platz: Die elf Frauen zwischen 17 und 27 feuern sich an, geben keinen Ball verloren, lassen den Gegner kaum über die Mittellinie, werfen sich in jede Flanke. Die Übermacht ist erdrückend. Als eine Spielerin doch mal einen Ball verliert, ruft sie – fast ein bisschen erleichtert, wie es scheint – „Das war mein Fehler“ in Richtung Trainerbank. Doch im nächsten Moment zappelt der Ball trotzdem schon wieder im Netz des ATSV. „Wenn aus deinen Fehlern immer Tore entstehen“, ruft Trainer Schwalenberg zurück, „mach’ nur weiter Fehler!“ Beide grinsen.

Doch soviel Lockerheit hat auch ihren Preis. Ob nämlich genug Druck aufkommt, um die Mannschaft längerfristig zu motivieren, ist offen. Bei Werder scheint die neue Frauensparte nicht zuletzt ein Prestigeobjekt zu sein – sportliche Erfolge sind zwar kalkuliert, aber zweitrangig. „Macht euer Ding“, lautet die Anfangs-Devise von Präsident Klaus-Dieter Fischer. Kein Geheimnis ist auch, dass es ohne Druck aus Politik und Verbänden bis heute kein grün-weißes Frauenteam gäbe.

Denn die Werder-Frauen sind nicht nur Liga-intern ein wenig isoliert, auch im Verein hat das Team einen Sonderstatus. Die Führungsetage – Ex-Trainer Otto Rehhagel voran – war jahrzehntelang gegen Frauenfußball. Britta Möhlmann, Tochter eines Profis, durfte vor 20 Jahren nur mit Sondergenehmigung bei den Jungs mitkicken – bis sie zwölf wurde. Danach war Schluss, bis sie vor zwei Jahren wieder anfing – nach sehr langem Zögern. Denn wenn Fußballerinnen angeblich „Kampflesben“ oder wenigstens „keine richtigen Frauen“ sein sollen, hat man „irgendwann selber solche Vorurteile, wenn man sie ständig hört“, sagt Möhlmann.

Heute, auch durch den WM-Erfolg der Nationalmannschaft, liegen die Dinge ein wenig besser, glaubt man Frank Schwalenberg. Wer aber immer noch den „schizophrenen Vergleich“ mit den Männern ziehe, sagt der Trainer, werde Frauenfußball wohl nie akzeptieren können.