Vom Armen- zum Guerillagarten

GESCHICHTE Am Anfang ging’s um Fressen, dann um die Schönheit und nun gegen Kommerzialisierung

Anfang des 19. Jahrhunderts konnte die sprunghaft angestiegene Stadtbevölkerung für wenig Geld einen von Landesherr, Kirche, Fabrikbesitzer oder Stadtverwaltung angelegten „Armengarten“ pachten und hier Obst und Gemüse anbauen.

Um die Jahrhundertmitte entstand die Schrebergartenbewegung auf Eigeninitiative von Bürgern, die sich in schnell wachsenden Industriemetropolen wie Berlin mit überfüllten Mietskasernen und dunklen, engen Hinterhöfen nach ein bisschen Grün sehnten. Der Name geht auf den Leipziger Orthopäden Daniel Gottlob Moritz Schreber zurück, der dafür warb, Spielwiesen für kranke Kinder von Fabrikarbeitern anzulegen. Drumherum wurden nach und nach Gemüse- und Blumenbeete angelegt, später dann auch Lauben gebaut. Geeignetes Land gab es unter anderem links und rechts der Bahngeleise, das die Bahngesellschaften, ab 1919 dann die Deutsche Reichsbahn, zunächst an ihre Mitarbeiter, später auch an andere Interessierte vergaben.

Nach Kriegsende 1945 wurden die Kleingärten als vorübergehende Bleibe für die vielen Wohnungslosen und als Anbaufläche für Obst und Gemüse überlebenswichtig. Seit einigen Jahren spielt das Guerilla Gardening eine immer größere Rolle: Initiativen verwandeln trostlose Plätze, Parkdecks oder Brachflächen zu Nutzgärten und setzen damit auch ein Zeichen gegen die zunehmende Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. So entstanden etwa 2009 die Prinzessinnengärten am Moritzplatz. KS