Die Linke will nicht aussortieren

Auf ihrem bundesweiten Bildungskongress in Hamburg macht sich „Die Linke“ für eine gebührenfreie „Schule für Alle“ stark. Lob für erste Schulreformen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen aber massive Kritik an Hamburger Schulpolitik

In ihrem Sofortprogramm zur Hamburg-Wahl fordert „Die Linke“ in einem Acht-Punkte-Programm die grundlegende Reformierung des Bildungswesens. Neben einer „Schule für Alle“, die die Klassenstufen eins bis zehn umfasst, fordert die Partei die Senkung der Klassenfrequenzen und die Abschaffung des Lehrerarbeitszeitmodells. Daneben müssten die Förderangebote für Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwierigen Verhältnissen ausgebaut werden. Auch das Kita-Gutscheinsystem würde die Partei gern in die Tonne treten und durch gebührenfreie Ganztagsplätze ersetzen. Unternehmen, die nicht ausbilden, sollen zukünftig eine landesbezogene Ausbildungsplatzabgabe zahlen. An den Hochschulen im Land stehen die Abschaffung der Studiengebühren und der Ausbau der universitären Mitbestimmung in den Hochschulgremien ganz oben auf der Wunschliste der Partei.  MAC

VON BIRGIT GÄRTNER
UND MARCO CARINI

Auf ihrem Bildungskongress in Hamburg feuerte „Die Linke“ am Wochenende die Wahlkampf-Auseinandersetzung um die Zukunft der Kindergärten und Schulen an. Im Mittelpunkt der Debatte, die knapp 200 Teilnehmer aus der gesamten Bundesrepublik verfolgten, standen heftige Attacken gegen die CDU-Bildungspolitik und eine klare Abgrenzung von SPD-Konzepten. Zentraler Schwerpunkt des Wahlkampfes der Linken wird dabei die Ablösung des dreigliedrigen Schulsystems sein, wie auch die Hamburger Volksinitiative „Eine Schule für Alle“ sie propagiert. Da die Kampagne von der Hamburger Sektion der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem Hamburger Elternverein, der SchülerInnenkammer und der GAL getragen wird, kann die Partei auf gewichtige Bündnispartner im Schulsystem zählen.

Zu Beginn des Kongresses verwies der Hamburger Linkspartei-Vorstand Horst Bethge auf Bildungsreformen im Norden, die in die richtige Richtung weisen würden. Die Einrichtung erster Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein, die Wiederzulassung von Gesamtschulen in Niedersachsen, und die Hamburger SPD-Kampagne „Bildung zum Nulltarif“ seien erste Schritte in Richtung „überfälliger Reformen, für die wir seit Jahren eintreten“. In der Realität aber würde das Bildungssystem noch immer die „soziale Spaltung zementieren“. So würden etwa im Hamburger Stadtteil St. Pauli, wo viele Familien von Sozialleistungen leben, noch immer fast 35 Prozent aller Jugendlichen die Schulen ohne jeden Abschluss verlassen.

„Nirgendwo in der Republik ist der Zusammenhang zwischen familiärer Herkunft und Schulerfolg so eindeutig wie in Hamburg“, ergänzte die Spitzenkandidatin der Hamburger Linken, Dora Heyenn. Der CDU warf sie vor, mit einer „demagogischen Kampagne“ die Emotionen gegen die Volksinitiative „Eine Schule für Alle“ zu führen, indem sie nahelege, dass die Initiative „den Eltern ihre Entscheidungsfreiheit für ihr Kind“ nehmen wolle. Der SPD warf sie vor, dass sie die Volksinitiative nicht unterstütze und sich damit in der Diskussion um die Zukunft des Schulsystems „wegducke“.

Der Hamburger GEW-Chef Klaus Bullan, selbst Mitglied der Linken, warf dem Hamburger CDU-Senat „Plan- und Konzeptlosigkeit in der Schulpolitik“ vor. Die Landesregierung sei mit dem Ziel angetreten, die Hauptschule zu stärken, wolle sie jetzt aber abschaffen. Zunächst habe der Senat die Benotung aller Kinder schon in der Grundschule verbindlich gemacht, jetzt stelle er in Aussicht, dass sogar bis zur Klassenstufe 10 Zensuren durch Kompetenzraster ersetzt werden könnten. Setze sich das von der Hamburger CDU propagierte Zwei-Säulen-Modell durch, dass die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zu einer Stadtteilschule vereinigen will, sei ein „gnadenloser Ausleseprozess bis Klasse sechs“ vorprogrammiert. Denn wer bis dahin im Gymnasium nicht aussortiert wurde, könne nach den CDU-Plänen später dann nicht mehr abgeschult werden. „Mit diesem Modell“, sagte Bullan, sei „die soziale Spaltung Hamburgs im Bildungsbereich nicht zu überwinden“.

Das zweite große Thema der Konferenz war die zunehmende Privatisierung im Bildungsbereich im doppelten Sinne. Zum einen würden immer mehr Bildungskosten über Kita-Beiträge, Lehrmittel- und Essensgeld-Eigenbeteiligungen und Studiengebühren vom Staat auf die privaten Haushalte abgewälzt, zum anderen würde gerade im universitären Bereich immer stärker die Wirtschaft den Ton angeben. Dass es etwa an einer Würzburger Hochschule bereits einen „Hörsaal Aldi-Süd“ gäbe, sei nur ein sichtbares Indiz dieser Tendenz. Mit einer neuen Kita-Offensive will die Partei zudem auch in den bevorstehenden Landeswahlkämpfen für eine bessere Ausstattung der Kindergärten und einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr streiten.

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