Berlusconi prostituiert nicht

ITALIEN Der frühere Regierungschef und alternde Partylöwe wusste nicht, dass seine Gespielin Ruby erst 17 war. Doch weiteres Ungemach droht

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Im Dauerkrieg mit der italienischen Justiz hat Silvio Berlusconi am Dienstag einen Etappensieg errungen. Das Kassationsgericht in Rom hat ihn endgültig vom Vorwurf der Prostitution einer Minderjährigen wie vom Vorwurf der Nötigung im Amt freigesprochen.

Zu verhandeln hatten die Richter den Fall, der als „Rubygate“ weltweit Aufsehen erregt hatte. Ruby, eine damals 17-jährige Marokkanerin mit dem bürgerlichen Namen Karima El Mahroug, gehörte zu den Mädchen, die im Jahr 2010 regelmäßig an Berlusconis ausschweifenden Festen teilnahmen. Am 27. Mai jenes Jahres wurde sie in Mailand unter Diebstahlsverdacht festgenommen. Und Ministerpräsident Berlusconi, der auf einem Regierungsgipfel in Paris weilte, rief persönlich den Mailänder Polizeipräsidenten an, um sich für „die Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak“ zu verwenden. Statt in eine betreute Einrichtung zu kommen, wurde El Mahroug daraufhin der Regionalabgeordneten Nicole Minetti überantwortet. Pikant: Auch Minetti war immer wieder auf Silvios Sexpartys – und wurde dafür mit der Wahl ins Regionalparlament der Lombardei entschädigt.

Das höchste italienische Gericht folgte jetzt dem Freispruch Berlusconis in zweiter Instanz. Angeblich hat Berlusconi demnach nicht gewusst, dass die Marokkanerin minderjährig war; und auch die Anrufe des Regierungschefs beim Polizeipräsidenten mochten die Richter nicht als Nötigung im Amt, sondern bloß als freundlichen Ratschlag interpretieren.

Für Berlusconi ist dies schon die zweite gute Nachricht binnen weniger Tage. Am Sonntag nämlich endeten die zehn Monate, in denen er einmal wöchentlich hatte Sozialdienst leisten müssen, um seine Gefängnisstrafe von einem Jahr abzubüßen, zu der er im Jahr 2013 wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war. Eine weitere Auflage lautete, dass Berlusconi Mailand jeweils nur von Dienstag bis Donnerstag verlassen durfte und die Nachtstunden in seiner Wohnung verbringen musste. Zudem hatte er sein Mandat als Senator eingebüßt. Jetzt dagegen kann er sich wieder frei bewegen.

Doch weiteres Ungemach steht ins Haus. Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt weiter, ob Berlusconi die im Ruby-Prozess als Zeuginnen geladenen Damen großzügig alimentiert hat, damit sie in seinem Sinne aussagten und von „eleganten Abendessen“, womöglich mit der einen oder anderen Burlesque-Einlage, berichteten. Außerdem steht er in Neapel vor Gericht, weil er in den Jahren 2006–2008 als Oppositionsführer Stimmen von Senatoren gekauft haben soll, um den seinerzeit regierenden Romano Prodi zu stürzen – ein Vorhaben, das im Januar 2008 tatsächlich gelang.

Erst einmal muss Berlusconi sich um seine Partei Forza Italia (FI) kümmern. Denn hier steht er politisch vor einem Scherbenhaufen. FI, in den Umfragen auf 14 Prozent abgestürzt, zeigt sich im Innern tief gespalten. Zwar stimmte die Rechtspartei am Dienstag geschlossen gegen eine Verfassungsänderung, mit der vor allem die zweite Kammer, der Senat, in ihren Vollmachten drastisch eingeschränkt wird. Doch die Geschlossenheit der FI-Fraktion ist purer Schein. Nur noch die Hälfte der 70 Abgeordneten darf als wirklich Berlusconi-treu gelten. 17 Parlamentarier dagegen wollen den bisherigen Kompromisskurs gegenüber Renzi wieder aufnehmen. 18 andere Abgeordnete dagegen wollen radikale Opposition – und auch einen Wechsel an der Spitze von FI, weg von Berlusconi.

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